Auf der Suche nach der Wahrheit
von Larischen
Rezension
Vier Jugendliche beschließen gemeinsam ihre Unschuld zu verlieren. Jahre später, als die vier längst erwachsen sind und unabhängig voneinander ihre eigenen Wege eingeschlagen haben, erinnern sie sich zurück an die Zeit und erzählen die Geschichte von ihrem jeweiligen Standpunkt aus. Es ist am Leser zu entscheiden, wie er die jeweiligen Aussagen bewertet und was denn nun wirklich passiert ist.
Sophie Coulombeau hat mit „Nach allem, was passiert“ ist ein beeindruckendes Debüt geschaffen. Jeder der Protagonisten erhält ausreichend Raum um seine Version der Geschichte zu erzählen. Ergänzend werden noch einige andere Personen aufgenommen, die in die Geschichte verwickelt wurden. Dabei wird deutlich, dass es die eine Wahrheit nicht gibt, zumindest nicht für die direkt beteiligten Personen. Denn ihre Aussagen unterscheiden sich sehr voneinander, genauso wie die Einschätzungen der anderen Beteiligten. Der Leser muss also die Schilderungen gegeneinander abwägen und versuchen ein klares Bild der damaligen Situation zu entwickeln.
Sophie Coulombeau schafft es auch durch ihren besonderen Schreibstil den Leser immer wieder aktiv in die Geschichte mit einzubeziehen. Der Leser fungiert als eine Art Interviewer, der mit den Beteiligten spricht und versucht die Situation zu verstehen. Dabei habe ich oft gemerkt, dass genau die Fragen beantwortet wurden, die ich mir in der jeweiligen Situation gerade gestellt habe. Man wird auch immer wieder direkt angesprochen, aber ohne, dass der Interviewer aktiv wird. Ich habe diesen Art des Erzählens so noch nie gelesen und war sehr begeistert, da es mich der Geschichte wesentlich näher gebracht hat.
„Nach allem, was passiert ist“ ist ein außergewöhnliches Buch, dass mich stark beschäftigt hat. Gibt es wirklich eine objektive Wahrheit? Und wenn ja, sind dann nur die Beteiligten unfähig sie zu „erkennen“? Oder ist die objektive Wahrheit ein Wunschdenken?
Ich kann das Buch nur empfehlen, es ist allerdings alles andere als Wohlfühllektüre und fordert sehr viel vom Leser.