Sophie Duffy schrieb mit "Rote Kirschen, schwarze Kirschen" 2013 ihr Debüt. Das Buch erscheint im Knaur Verlag.
Helena ist gerade mal 16 als sie mit ihrer frisch geborenen Tochter Philippa 1965 an die englische Riviera nach Torquay zieht. Dort wohnen sie bei Bob, der einen Süßwarenladen führt und bei Wink, einer alten liebenswürdigen, aber etwas schrulligen Dame. Nur sieben Jahre später verschwindet Helena ohne ein Wiedersehen spurlos. Philippa bleibt bei Bob und Wink und erkennt schon früh, dass Familie und Heimat nichts mit Verwandtschaft zu tun haben müssen. Ihr Leben ist geprägt vom Verlassenwerden, auch ihr Freund Lucas verschwindet aus ihrem Leben.
In dieser Coming-of-Age-Erzählung um schwierige Lebensphasen, um ein Mädchen namens Philippa auf der Suche nach Liebe, Geborgenheit und festen Bezugspersonen. Es ist eine Lebensreise, die durch die Jahre 1965 bis 2007 führt und dabei nicht nur Philippas Erlebnisse schildert, sondern auch eine Zeitreise durch England bedeutet. Als Leser nimmt man auch Teil am Geschehen des englischen Königshauses, wie an der Hochzeit von Charles und Diana.
Philippa erzählt in erster Linie ihrem neugeborenen Baby ihre ganz persönliche Lebensgeschichte, während wir als Leser ihr dabei gebannt folgen. Es wird schnell klar, Philippa hat schon einiges in ihrem Leben erlebt, geht noch immer der Frage nach dem Verlassenwerden durch ihre Mutter Helena nach und versucht es jetzt, selbst in die Mutterrolle geschlüpft, zu verstehen.
Bei dieser Erzählung wird die Distanz zwischen Protagonistin und Leser vollkommen getilgt, man ist sofort gefangen von den emotional gezeichneten Figuren und lebt, liebt und leidet automatisch mit Philippa mit.
Die Sprache ist ziemlich einfach gehalten, aber es gibt immer wieder Sätze, die sehr berühren und nahe gehen und die man gern mehrfach liest. Auch sieht man sich schnell in der Rolle des Kindes Philippa, die im Süßwarenladen ein wahres Paradies vorfindet.
"Zitronenbrausebonbons, saure Drops, Anisstäbchen, Karamelbonbons und all die anderen Sorten, deren Namen ich noch nicht lesen kann, deren Formen und Farben und Düfte ich aber auswendig kenne." Zitat
Ihren Lebensalltag vom Kleinkind bis zur erwachsenen Frau mit Schule, Freundinnen, Studium und der Vorliebe für die Königsfamilie erlebt man hautnah mit. Man folgt ihr gern durch ihr bewegtes Leben, unternimmt eine Zeitreise auch ins englische Königshaus, lacht und weint mit Philippa, sieht sie glücklich mit ihren Freunden und auch traurig, als zwischen Bob und Helena nicht das Elternpaar wird, wie sie sich erhofft. Und man ist gespannt auf weitere Details aus ihrem Leben, wie sie zur späten Mutter wurde, wie sie im Gegensatz zu Helena mit der Mutterrolle umgehen mag. Warum Helena sie nicht zu sich geholt hat? Die Lösung all dieser ungelösten Fragen scheint in einer rätselhaften Zeitkapsel verborgen zu sein, die erst nach der Geburt des ersten Kindes von Philippa geöffnet werden darf.
Dieses Buch hat mich sehr berührt, es ist charmant und humorvoll, aber auch recht traurig, aber nie hoffnungslos. Schon der Umstand von Philippas Baby zu wissen, macht irgendwie glücklich. Sophie Duffy versteht es, ihre Leser in diese bewegende Familiengeschichte hineinzuziehen und ein wenig englisches Flair zu verbreiten. In ihren Figuren zeigt sie einen geübten Blick auf das Menschliche, auf die Fehler, die Hoffnungen, die Sorgen und die Liebe der Menschen.
Diese liebevoll gezeichneten Figuren haben es mir angetan, ich habe sie alle bildhaft vor mir gesehen und ich mochte Bob, Wink und teilweise auch Philippa und habe schon früh einige Wahrheiten geahnt und sie herbei gesehnt.
Dieser berührende und auch tiefsinnige Roman ist toll zu lesen, er ist humorvoll und doch auch traurig. Er zeigt, welche verworrenen Wege das Leben bieten kann und was Glück ausmacht.
Das Leben ist nicht geradeaus, es geht über Höhen und Tiefen, sie zu durchwandern ist das Ziel des Lebens.
Eine Empfehlung für Freunde von romantischen, aber auch lebensnahen Geschichten, die das Leben mit unterschiedlichen Facetten schreibt.
Sophie Duffy
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Rote Kirschen, schwarze Kirschen
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Philippas Mutter ist verschwunden als sie ein kleines Mädchen war, dann musste sie sich auch noch von ihrem besten Freund Luca verabschieden. Zu guter Letzt wurde sie ihr Leben lang immer allein gelassen. Nur der Süßwarenbesitzer Bob hat sich der damals kleinen Philippa erbarmt und ihr ein Zuhause gegeben.
Sophie Duffy hat mit „Rote Kirschen, schwarze Kirschen“ eine Mischung aus Coming-of-Age- und bewegenden Familienroman geschrieben, der man als Leser einfach nicht entgehen kann. Es geht um Familie, Liebe und Geborgenheit, aber auch um das Leben, seine Ungerechtigkeit und wie man sich darin behaupten kann.
Der Roman wird auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt. In erster Linie geht es um Philippas Kindheit und wie es sie zu ihren Ersatzvater Bob in den Süßwarenladen verschlagen hat. Hier durchquert man mit der Protagonistin die 1960er Jahre, hält kurz in den 70ern und 80ern an, um dann in die Gegenwart, in den 1990ern, anzukommen.
Diese Gegenwartsepisoden werden immer wieder eingestreut. Die 40jährige Philippa ist nun selbst Mutter geworden und erzählt ihrer kleinen Tochter, wie ihr Leben begonnen hat.
Sie berichtet, wie sie von London in das Küstenstädchen Torquay gekommen ist, warum ein Schnurrhaar von Kater Andy 30 Jahre später noch eine Rolle spielt, wie weh es tut, wenn man Menschen gehen lassen muss, und was bleibt, wenn gar niemand mehr geblieben ist.
Obwohl die Geschichte an sich traurig klingt, ist dem überhaupt nicht so. Immer wieder regt Philippa als Erzählerin zum Schmunzeln an, strahlt Lebensfreude und Geborgenheit aus und lässt einem mit einem wohligem Gefühl zurück.
Denn die Haupterzählung ist von charmanter Leichtigkeit und einem schneidigen Ton geprägt. Ich habe Philippa von der ersten Seite an gemocht, weil sie mit ihrer nonchalanten Art für Erheiterung sorgt:
„Wink sagt, sie leben in Sünde. Ich habe keine Ahnung wo das ist, vermutlich irgendwo in Paignton, aber es klingt so missbilligend, wenn sie es sagt.“ (S. 117)
Außerdem erlebt man gemeinsam mit der Protagonistin die zeitgeschichtlichen Stationen des britischen Königreichs. Das 25jährige Kronjubiläum der Königin - die damals schon manch einer eine ‚alte Schachtel‘ nennt, eine Märchenhochzeit von Prinz Charles und seiner Lady Di, sowie den herzzerreißenden Schock, als genau diese umjubelte Prinzessin zu Grabe getragen wird.
Mich hat Philippa zum Schmunzeln, Lachen und Weinen gebracht. Ich habe gern mit ihr die Geheimnisse des Lebens, ihrer Mutter und ihrer Familie entdeckt. Denn ihre Mutter, die sich eines Tages nach Kanada absetzt, und ihr bester Freund Luca, den sie sogar kurz davor verloren hat, stehen meiner Meinung nach stellvertretend für all die Verluste, die ein Mensch in seinem Leben ertragen muss.
Obwohl in diesem Roman kaum Spannung oder Aufregung herrscht, hat mich Philippas Geschichte durch und durch bewegt. Denn durch Philippas Erzählung merkt man rasch, wie schnell die Zeit vergeht, dass man sich immer wieder darauf besinnen soll, was einem selbst wichtig ist, und dass Familie vor allem durch Zugehörigkeit und nicht durch das gleiche Blut entsteht.
Mit „Rote Kirschen, schwarze Kirschen“ habe ich eine Perle der Coming-of-Age-Erzählungen entdeckt, die mich bewegt und begeistert hat. Alles in allem ist es ein herzergreifender Roman, der amüsant zu lesen ist und gleichzeitig Tiefsinn besitzt. Leseempfehlung!
EIN BUCH WIE EINE WARME UMARMUNG...
Philippa heißt die Heldin dieses Buches. Aber von Heldin kann hier gar keine Rede sein. Mit über 40 Jahren liegt sie gerade im Krankenhaus, ihr neugeborenes Baby im Arm, das, noch namenlos, ihr wie ein Wunder erscheint, ihr ganzes Glück. In diesen Tagen im Krankenhaus erzählt sie ihrem kleinen Baby die ganze Geschichte ihres eigenen Lebens, angefangen von ihrem ersten Atemzug im Jahre 1965.
Wie sie, trotzig mit der wirkungslosen Spirale ihrer blutjungen Mutter in der winzigen Faust, in einem Londoner Krankenhaus zur Welt kam, wie ihre alleinstehende Mutter mit ihr aus London fortzog, floh aus dem Dunstkreis ihres hochangesehenen Vaters, einem Richter, an den einzigen anderen Ort, an dem sie in ihrem Leben bisher war: Torquay, ein palmengesäumter Urlaubsort an der britischen Riviera. Wie ihre Mutter dort versuchte Fuß zu fassen und sich dabei eher hilflos um die kleine Philippa kümmerte. Wie sie schließlich eine winzige Wohnung fanden über Bobs Süßwarenladen, wo die Bonbons in den Gläsern glitzerten wie Versprechen.
Drinnen ist es wie in Aladins Höhle. Ein Glasgefäß neben dem anderen, gefüllt mit Rubinen und Smaragden, Diamanten und Amethysten, Gold und Silber und Perlen. Zitronenbrausebonbons, saure Drops, Anisstäbchen, Karamelbonbons und all die anderen Sorten, deren Namen ich noch nicht lesen kann, deren Formen und Farben und Düfte ich aber auswendig kenne.
Aufwachsen ist nicht immer leicht - nicht als kleine, dicke Philippa, die in der Schule in der Gruppe der langsamen Leser starten muss, die rasch erkennt, dass ihre Mutter anders ist als die der anderen Kinder - zu jung, nicht verheiratet, mit sich beschäftigt. Doch die Freundschaft zu Lucas gibt ihr Halt, mit ihm ist die Schule erträglich, mit ihm sind die Spiele fantasievoll und voller Abenteuer, mit ihm entdeckt sie das Leben.
Also gibt es nur dich und mich, mein Baby. Und du riechst himmlisch. Ich könnte deinen Duft ewig einatmen. Der Junge, den ich einmal heiraten wollte, roch nach Rosinenbrötchen.
Philippa muss schon früh im Leben erkennen, dass dieses einem immer wieder gerne einmal ein Schnippchen schlägt. Gerade wenn es einmal halbwegs zu laufen scheint, geschieht etwas, das einem den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Lucas ist plötzlich weg. Und kurz darauf auch ihre Mutter. Einfach verschwunden, mit einem jungen attraktiven Kerl auf und davon nach Kanada. Ohne ein Wort, von einem Tag auf den anderen.
Doch Bob, der gutmütige Kioskbesitzer, kümmert sich um Philippa wie um seine eigene Tochter, unterstützt durch eine alte Freundin, Wink, die mit ihrem Papageien bald schon wie eine Großmutter ist für Philippa. Und so wächst Philippa heran, nimmt das Leben, wie es eben ist, entdeckt die wunderschöne Welt der Bücher, betrachtet aber auch die Menschen und die Welt um sie herum mit großen Augen.
... während ich Bob mit in die Stadt schleife und wir beide Bibliotheksmitglieder werden. Ich bin außer mir vor Begeisterung, so viele Bücher an einem Ort zu sehen, und nun besitze ich den Schlüssel, um sie alle zu lesen. Und wenn ich ihn drehe, könnte ich möglicherweise den Sinn meines Lebens verstehen. Dann könnte es mir vielleicht gelingen herauszufinden, wie ich meine Mutter zurückbekomme.
Philippa erzählt mit ergreifender Ernsthaftigkeit und heiterer Leichtigkeit vom Erwachsenwerden. Es ist ein leises Buch von einer nicht einfachen Kindheit und Jugend, aber zutiefst lebensbejahend. Eine warmherzige Erzählung, bei der Lachen und Weinen manchmal in derselben Zeile liegen.
Eines der Bücher, bei dem die Seiten nur so vorbeifliegen und man doch die Zeit anhalten möchte, um Philippa und die anderen so liebevoll gezeichneten Figuren nicht allzu bald wieder verlassen zu müssen. Bisher mein Highlight des Jahres.
Ein Buch wie eine warme Umarmung...
© Parden
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