Cover des Buches Wächst die Seuchengefahr? (ISBN: 9783596176649)
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Rezension zu Wächst die Seuchengefahr? von Stefan H. E. Kaufmann

Rezension zu "Wächst die Seuchengefahr?" von Stefan H.E. Kaufmann

von Mario_Veraguth vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Waren die Kleinstlebewesen nur länger als die Menschen auf der Erde oder werden sie es auch länger bleiben?

Rezension

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Mario_Veraguthvor 9 Jahren

Bei aller Kritik an den Vorgängen rund um die Schweine- und Vogelgrippehysterie samt Geschäftemacherei von Pharmakonzernen und Übertreibung zwecks Auflagensteigerung von Medien sollte man die historischen Vorbilder samt neuen, wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht aus den Augen verlieren.

Denn die spanische Grippe tötete nicht nur Millionen Menschen, sondern, was noch erschreckender ist, infizierte auch mehr als die halbe damalige Weltbevölkerung. Dass sie nur die jungen und gesunden Menschen dahinraffte, war ein glücklicher Zufall. Vogel- sowie Schweinegrippe, die als Zoonosen auch weitere Zwischenwirte haben können, bergen das Potential in sich sowohl überaus tödlich als auch ansteckend zu sein. Bisher war es noch nicht der Fall, aber die potentiellen Kombinationen aus Eigenschaften von Ebola und Pocken, Aids und Grippe oder Tuberkulose und Hepatitis C geben einen Vorgeschmack auf dystopische Szenarien, die in keiner Weise fiktiv sind.

Gerade so schnell und ungenau mutierende Viren wie HIV und Ebola verändern sich stetig und entschlüpfen damit jeder Impf- und Heilungsmöglichkeit, kommen mit immer neuen Wirten und anderen Viren und Bakterien in Kontakt und entwickeln Resistenzen.

Bei Tuberkulose, Hepatitis C, Krankenhauskeimen und anderen Erregern hat dies mittlerweile zur Bildung von multiresistenten Keimen geführt.

Pietätslos mutet die Praxis der Kostenermittlung von Krankheiten, Seuchenausbrüchen und durch Invalidität nach Erkrankung verkürzter Erwerbstätigkeit an. Egal ob in harter Währung oder verlorener, gesunder Lebenszeit gerechnet, sind diese Ausgeburten bürokratischer Abgehobenzeit Armutszeugnisse, die nicht den Vergleich mit der Gewinnkalkulation von Konzernen zu scheuen brauchen.

Diese haben keine Skrupel, zwar auf den Patenten, Formeln und Produktionsstätten von Medikamenten und Wirkstoffen zu sitzen, diese aber unter Verschluss zu halten und damit eine Forschung samt Heilung durch Staaten oder andere Firmen zu verhindern. Nicht nur, dass keine Ambitionen bestehen, Medikamente gegen nur in Entwicklungsländern grassierende und deshalb unrentable Krankheiten zu produzieren. Es wird auch noch systematisch verhindert, dass die Betroffenen zur Selbsthilfe greifen.

Tun sie das doch, werden sie auf die Verletzung von Patent- und Urheberrechten verklagt. Da diese Sammelklagen von Pharmakonzernen gegen Entwicklungsländer aber nicht ganz mit dem code of conduct harmonieren und immer lästige Aufschreie der Presse mit sich bringen, müssen sie meist wieder zurück gezogen werden. Gut dass es da noch die einträglichen Zivilisationskrankheiten in der ersten Welt gibt.

Die Kombination aus Skrupellosigkeit, Gier und Handlungsaufschub könnte vor allem die Industrieländer noch teuer zu stehen kommen. Nicht nur, dass sie durch die ausgebaute Infrastruktur eine bessere Erregerverteilung gewährleisten und viel mehr Menschen in kürzerer Zeit angesteckt werden können als in Entwicklungsländern. Was zusätzlich nicht bedacht wird, sind die erweiterten Konsequenzen einer durch erfolgreiche Abschottung des Westens nur in Entwicklungsländern grassierenden Seuche. Denn das damit einhergehende Ausbleiben von Rohstoffen und Lebensmitteln würde auch in den nordamerikanischen und europäischen Volkswirtschaften beträchtlichen Schaden anrichten.

Da bei der Erforschung von Medikamenten und Impfungen vermehrt auf gentechnisch veränderte Organismen gesetzt wird, drängt sich eine Überlegung auf. Wir wissen nicht das Geringste über die Kurz-, Langzeit- oder Folgewirkungen von Eingriffen in das Erbgut von Lebensformen, außer dass die Modifikation gewisse Eigenschaften verändert und daraus erwünschte Resultate erwachsen. Wie sich das auf die weitere Entwicklung, Fortpflanzung und das restliche Ökosystem auswirkt, läuft unter Gewinnentgang und entschwindet somit in die Bedeutungslosigkeit.

Nun bekämpfen Regierungen, Firmen und Wissenschaftler im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte einige der anpassungsfähigsten, nur teilweise erforschten und verstandenen, mutationswilligen und extrem gefährlichen Lebensformen mit Mitteln der Gentechnik. Es wird spannend sein zu beobachten, was die Viren und Bakterien mit diesen zusätzlichen, unnatürlichen Bausteinen anzufangen wissen und was so ein multiresistenter, gentechnisch verfeinerter Erreger mit den evolutionär erfolgreichsten Eigenschaften verschiedener Krankheiten anzufangen weiß.

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