Rezension zu Der König David Bericht von Stefan Heym
Rezension zu "Der König David Bericht" von Stefan Heym
von Heike110566
Rezension
Heike110566vor 14 Jahren
Der Roman "Der König David Bericht" erschien 1972 zeitgleich in der DDR und der BRD und sorgte in beiden deutschen Staaten für Aufsehen. Aber dies war auch kein Wunder, war doch der deutsch-jüdische Autor, der 1913 in Chemnitz geboren wurde und 2001 in Ein Boket in Israel starb, einer der schillernsten Autoren der Literatur in der DDR. Seine Arbeit als Schriftsteller nutzte er auch immer wieder, um sich mit den Verhältnissen in der DDR kritisch auseinander zu setzen, weswegen er auch immer wieder mit Veröffentlichungsverboten belegt wurde. Seine Kritik am realen Sozialismus in der DDR war aber nicht grundsätzlich gegen die Idee des Sozialismus gerichtet, sondern eigentlich eine als beflügelnd wirkende Kritik gedacht, die erreichen wollte, dass das real existierende System reformiert wird und ein demokratischer Sozialismus daraus hervorgeht, der menschenfreundlich ist und auch von den Menschen mitgetragen wird. Deutlich wird seine grundsätzlich positive Haltung zur sozialistischen Idee auch dadurch, dass er bei der Bundestagswahl 1994 für die PDS (Partei des demokratischen Sozialismus, eine der Vorläufer-Parteien der DIE LINKE) in den Bundestag einzog und als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Bundestages mit einer eindrucksvollen Rede eröffnete und die Sitzung leitete. "Der König David Bericht" greift den Themenkomplex rund um den bekannten Bibel-König David sowie dessen Vorgänger Saul und dessen Nachfolger Salomo auf: Der Schreiber und Historiker Ethan aus Esra wird von König Salomo berufen, einen Geschichtsbericht zu verfassen, in dem er und seine Herrschaft legitimiert werden sollen. Also dass er der legitime Nachfolger von David ist. Die Bücher der Bibel, die sich um die Könige Israels ranken, sind im Grunde das, was dabei später als Geschichtsbuch geschrieben wurde. Allerdings von jemand anderen als Ethan, denn Ethans Bericht war nicht Salomo wohlgefällig genug. Ethan war von Angang an nicht begeistert, denn der König machte einige Vorgaben für diesen König-David-Bericht. Der Report sollte natürlich so ausfallen, dass David und Salomo als die netten, von "Gott" auserwählten und gesegneten Herrscher Israels dargestellt werden. Das Buch soll also wohlgefällig und positiv über die Herrscher berichten, sie als das Beste auf Erden erscheinen lassen. - Ethan ahnt Schreckliches für seine Zukunft. Wie soll er historisch wahrheitsgetreu berichten und dabei diese Vorgaben erfüllen?, fragt er sich. Zumal er unter ständiger Aufsicht durch eine königliche Kommission auch noch steht, die letztlich entscheidet, was in den Bericht darf und was nicht. Und Ethans Vorahnungen erfüllen sich. Immer wieder wird er aufgefordert Historisches so zurecht zu biegen, dass es passend für die gewünschten Vorgaben des König Salomos ist. Entsprechend wird zurechtgelogen, die Wahrheit gebeugt, Tatsachen nur insoweit einegebaut, solange sie in das gewünschte Geschichtsbild passen usw. - Ethans Befürchtungen, dass er am Ende auf der Strecke bleiben wird, werden immer konkreter. Aber dennoch gräbt er weiter, will selber die Wahrheit um das Sein und Da-Sein der Könige Israels wissen. Und ihm wird immer klarer, dass es ein Sumpf und Moloch ist, in dem er da reinschaut. Daher kommt es mit Ethan, wie es kommen musste: er wird vor Gericht gestellt wegen literarischen Hochverrats und Wühltätigkeit zur Untergrabung des bestehenden Herrschaftssystems. Ethan wird zur Unperson erklärt, sein Buch darf nicht erscheinen, die kleine Wahrheit, die schon bestmöglich von Ethan zurechtgeborgen wurde in dem Buch, wird nicht veröffentlicht. Ethan geht ins Exil. Der Roman ist in mehrerer Hinsicht interessant. Da ist a) die Auseinandersetzung mit der Saul-David-Salomo-Geschichte in der Bibel und was davon zu halten ist aus Sicht Heyms, b) die Auseinandersetzung mit der Frage von Macht und Machtmissbrauch in der Politik und c) die Handlung als Parabel zu den damals bestehenden Verhältnissen in der DDR, die auch durch die Erzählperspektive des Ich-Erzählers, wenn man diese mit Heym identifiziert, deutlich zu erkennen ist. Das Buch fordert den Leser. Es ist nicht in heutiger Standardsprache geschrieben, was den Lesenden zwingt genau zu lesen, um das, was der Autor sagen will, auch zu verstehen. Der König-David-Bericht des Ethan, so wie er im Laufe des Romans entsteht, ist in Bibelsprache verfasst, die Zeitdokumente, die Ethan sichtet und die Interviews, die er mit Zeitzeugen führt, sind in dem gestelzt wirkenden damaligen Sprachstil gehalten. Ethans eigene Erlebnisdarstellungen wirken am lesefreundlichsten, da er, wenn auch im damaligen Stil, umgangssprachlich da bleibt. Dennoch ist es am Ende ein Lesegnuss gewesen für mich, denn Heyms Werk ist ein von vorn bis hinten sehr durchdachtes Buch. Schließlich war er durch die herrschende Zensur in der damaligen DDR gezwungen, seinen Text so zu schreiben, dass er durch selbige abgesegnet wird und er dadurch seine Gedanken unter das DDR-Volk bringen kann. Ist "Der König David Bericht" nun auch noch aus heutiger Sicht lesenswert? - Ich denke ja, besonders wenn ich dieses Buch als Parabel auch für die heute bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse versuche zu interpretieren. Es ist verblüffend, wie topaktuell dieses Buch ist, dass Heym da vor 38 Jahren veröffentlichte.