Cover des Buches Nebenan ein Mädchen (ISBN: 9783938973097)
Rezension zu Nebenan ein Mädchen von Stefan Kiesbye

Rezension zu "Nebenan ein Mädchen" von Stefan Kiesbye

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 15 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 15 Jahren
Dies ist der letzte Sommer bevor Moritz auf das Gymnasium geht und fast alle seine Freunde verlieren wird. Deswegen will man noch mal so richtig etwas erleben. Die Gegend in Norddeutschland, in der Moritz lebt, ist im Weltkrieg mit Bunkern überzogen worden. An die 40 von ihnen sind bekannt aber die Jungs hoffen vielleicht doch noch einen ungeöffneten zu finden, vielleicht mit noch intakten Waffen und auch der einen oder anderen Nazileiche darin. Man macht sich Tagelang auf die Suche und wird auch bald fündig doch findet man mehr als man erhofft hat… Stefan Kiesbye braucht gerade einmal 111 Seiten um ein industrielles Vorstadtidyll zu demontieren. Dort wo andere vorsichtig und unendlich langsam mit Hobel und Feile arbeiten geht der Schreiberling dieses Büchleins gleich mit einer Abrissbirne zu Werke und jagt dem Leser ganze Brocken und Fragmente kleinbürgerlicher Bigotterie um die Ohren. In einer zweckmäßig reduzierten aber dennoch sauberen Sprache trümmert er gezielt Fassaden nieder um den Leser Einblicke in etwas zu geben dessen Wahrhaftigkeit nicht selten schmerzhaft ist. Fast spielerisch verquert er die Charaktere. Kinder die rauben, morden, vergewaltigen und töten stehen Erwachsenen gegenüber die sich nicht aus ihrer heilen und selbst gebastelten Welt getrauen. Naiv und schon fast unschuldig halten sie an Werten und Prinzipien ihrer Altvorderen fest. Bedingungslos lässt man sich auf diesen Höllentanz ein zu dem der Autor den Leser mit einer Fährte aus Voyeurismus und zwischenmenschlichen Schicksalen auffordert. Aber viel zu spät merkt man erst das man in die Falle getappt ist und man ab Seite 80 nicht mehr zurück kann. Man befindet sich mit den Charakteren bereits im freien Fall. Ohne Hoffnung auf Rettung regiert ab diesen Zeitpunkt das Unausgesprochene, das nur Angedeutete. Nur kleine Happen werden dem Leser vorgeworfen der sich selbst ein Bild aus seinem Fundus von Erlebten, hören - sagen, oder auch den täglichen Medialen Rauschen das uns umgibt, skizziert. Mit dem unguten Gefühl, dass dieses Bild im Kopf nicht der Fiktion des Buches entsprechen möge, liest man immer gebannter weiter. Man frisst sich lesend immer weiter, fällt immer schneller und schneller, bis man auf der letzten Seite mit den Charakteren auf dem harten Betonboden aufschlägt. Das einzige das dabei beruhigt ist die Tatsache daß ich, im Gegensatz zu Moritz und seinen Freunden, als Leser selbstständig, auf meinen eigenen zwei Beinen, diese Geschichte verlassen kann während alle anderen zerschmettert am Boden liegen bleiben. Aber warum nehme ich mir dann vor beim nächsten Buch dem Schreiberling nicht mehr so leichtfertig zu folgen? Ein absoluter Geheimtipp.
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