Rezension zu "Zur Freiheit gehört, den Koran zu kritisieren" von Stefan Orth
Der Islam konnte sich nicht an die Moderne anpassen, weil der Islam sich an nichts anpassen will, weil er letztlich alles von oben bestimmen und kontrollieren will. (Hamed Abdel-Samad, Seite 16)
Meine Meinung
Fast täglich hört oder liest man Meldungen, die über mehr oder weniger schlimme Gewalttaten berichten, die im Namen des Islam vollbracht werden. Und ebenso oft heißt es dann, das habe mit dem Islam nichts zu tun, denn der sei doch friedlich. Was stimmt nun? Ein Streitgespräch zwischen einem Islamkritiker und einem islamischen Theologen schien mir geeignet, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Zu insgesamt dreizehn Fragenkomplexen gaben beide Stellungnahmen, die oft kontrovers waren, ab. Teilweise ging es auch darüber hinaus und es kam zu einer Art Dialog, soweit ein solcher in einem Buch möglich ist. Dabei hatte ich über weite Strecken den Eindruck, daß die Argumentation des Islamkritikers Hamed Abdel-Samad wesentlich schlüssiger und nachvollziehbarer ist als die von Mouhanad Khorchide, bei dem ich des Öfteren den Eindruck hatte, daß er sehr interpretieren und weit herholen muß, wenn er seine Meinung zu einem „friedlichen Islam“ begründen wollte. Da hatte es Abdel-Samad deutlich leichter - er brauchte nur Stellen aus dem Koran zitieren, um die These, daß Islam und Gewalt zusammengehören, zu untermauern. Schließlich mußte auch Khorchide zugeben, wenn auch indirekt, daß es diese Verbindung gibt: „(Meine Kritik) gilt vielmehr vor allem denjenigen, die noch heute, im 21. Jahrhundert, auf eine pauschale Verherrlichung der islamischen Tradition bestehen und jede kritische Haltung gegenüber klassischen Positionen ablehnen. (...) Warum argumentieren sie dann, dass der IS nichts mit dem Islam zu tun habe, wo doch vieles von dem, was wir vom IS kennen, im klassischen Islam zu finden ist, und zwar nicht bei als radikal eingestuften Gelehrten, sondern bei großen und anerkannten Vertretern der Rechtsschulen?“ (S. 54)
Wie sehr der Islam ein Problem mit Kritik und Gewalt hat, mag man auch daran erkennen, daß beide Autoren unter Polizeischutz stehen, weil sie wegen ihrer Ansichten bedroht werden. Im Islam leben offensichtlich sowohl Kritiker als auch seine Verteidiger, wenn sie nicht erzkonservativ sind, gefährlich. „Wenn es um Demokratien und Menschenrechte geht, stehen wir im Islam demgegenüber erst am Anfang eines Lernprozesses, das ist klar.“ (Khorchide, S. 102)
Insgesamt war es interessant, beide Standpunkte zu lesen, wobei Hamed Abdel-Samad, nicht zuletzt angesichts der täglichen Nachrichten, eindeutig die besseren und überzeugenderen Argumente vorbringen konnte.
Mein Fazit
Ein Streitgespräch zweier islamischer Publizisten über den Islam, in der deutlich wird, wie sehr der Islam noch immer im 7. Jahrhundert verankert ist.