Cover des Buches Der Tag, an dem ich fliegen lernte (ISBN: 9783462047059)
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Rezension zu Der Tag, an dem ich fliegen lernte von Stefanie Kremser

Hinter den Dingen

von serendipity3012 vor 10 Jahren

Rezension

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serendipity3012vor 10 Jahren
Hinter den Dingen

Luisa ist gerade erst zur Welt gekommen, da setzt ihre Mutter, die Brasilianerin Aza, sich mit der Neugeborenen in eines der Krankenzimmerfenster und lässt das Baby fallen. Dann verschwindet Aza. Luisa hat Glück und wird von Fergus, der zufällig gerade unter dem Fenster steht, aufgefangen. Sie überlebt und wächst glücklich mit ihrem Vater Paul in einer Wohngemeinschaft auf. Auch Fergus wird den beiden zum Begleiter. Über Aza wird nicht gesprochen und Luisa vermisst die Mutter lange Zeit nicht. Aber irgendwann kommen die Dinge ins Rollen und Vater und Tochter versuchen, das Rätsel um Azas Verschwinden zu lösen.

„Der Tag, an dem ich fliegen lernte“ von Stefanie Kremser erzählt Luisas Geschichte, die zugleich viel mehr ist. Kremsers Roman setzt verschiedene Schwerpunkte: Da sind Luisas frühe Jahre in der WG. Da ist die Geschichte eines Dorfs namens Hinterdingen, aus dem 100 Jahre vor Luisas Geburt viele Bewohner nach Brasilien auswanderten und in der Ferne ein brasilianisches „Hinter den Dingen“ besiedelten. Und dann ist da noch der Teil, der sich mit dem beschäftigt, was Aza zu ihrem Handeln bewogen haben könnte.

Kremsers Roman lebt über lange Strecken von ihrer gewitzten Erzählerin, die dem Leser über ihre Kinderjahre erzählt, charmant vor allem deshalb, weil sie vorgibt, schon als Säugling und Kleinkind vollwertig mit den Erwachsenen zu kommunizieren. Später, als Luisa dann spricht und selbständiger wird, wirkt es ab und zu etwas unrealistisch, wie weit sie ihrem Alter voraus zu sein scheint. Darüber lässt sich aber leicht hinwegsehen. Dieser Teil des Romans strahlt Leichtigkeit aus, obwohl klar ist, dass Paul und Luisa nicht für immer so tun können, als wäre ihre Form der Familie so normal und gewollt. Auf die lange Geschichte dann, die sich mit den Geschehnissen des Dorfes Hinterdingen befasst, muss man sich als Leser einlassen, da sie von Luisa und der eigentlichen Frage nach dem Verbleib der Mutter zunächst wegführt.

Alles in allem hat Stefanie Kremser einen unterhaltsamen, zuweilen nachdenklichen Roman darüber geschrieben, was Identität ist, worüber wir uns definieren und wen wir gerade in unseren ersten Lebensjahren brauchen. Wie aus uns zufriedene Menschen werden können, worauf es im Leben, vor allem in der Kindheit, ankommt. Ein Roman, oft leicht und gewitzt, dann wieder schwer und voller Fragen, aus der Perspektive einer Erzählerin, die man gleich ins Herz schließt. Ein Roman zwischen Bayern und Brasilien, bunt und voller Leben.
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