Vielen Coming Of Age Romane weisen das Problem auf, dass vieles gewollt wirkt, insbesondere die Botschaft des Inhalts. Die Kunst, nicht allzu dramatisch zu wirken, ist groß. Dieser Aufgabe widmet sich "Dicht" jedoch keineswegs. Der jugendliche Alltag besteht aus einer Menge kleinerer Dramen, Wortwitze oder gar gefährlicher Situationen. Und ergibt am Ende eine spannende Geschichte, die mit einem "Wir haben es überlebt" ins Erwachsenenalter schreitet.
In "Dicht" widmet sich die vielen bekannte Stefanie Sargnagel wohl stellenweise ihrer eigenen Jugend. Aufgewachsen in einem gutbürgerlichen Viertel Wiens rutscht das literische Ich in ein spannendes Milieu aus durchgeknallten und liebenswerten Persönlichkeiten mit Hang zum Alkoholismus und Drogensucht.
Das literarische Ich - humorvoll, intelligent und bissig-provokant ihren LehrerInnen gegenüber - steht außerhalb der Kontrolle ihres Elternhauses, bestehend aus der alleinerziehenden Mutter, die viel arbeitet, und einem Vater, der kaum bis gar keine Verantwortung übernimmt und sie einem koreanischen, grusligen Kunden vorstellt. Kein Wunder, dass das Leben draußen immer interessanter wird und der Zugang zum Studium über vierte Wege passiert, Schulauschluss inklusive.
Die Bedrohungen in diesem Alltag gehen keineswegs von den alkoholisierten Obdachlosen und viel zu alten Männern, mit denen sie regelmäßigen Umgang pflegt, aus. Sondern von Alltagsbegegnungen, die meine Tochter hoffentlich niemals erleben muss. Das literarische Ich hört nicht nur einmal, dass sie doch bitte abnehmen soll, um so richtig "geil" für den maximal durchschnittlich anmutenden jungen und manchmal viel zu alten Herrn zu sein.
Der rote Faden sind hier die vielen Begegnungen mit skurril und oft sehr liebenswürdigen Menschen und die vielen Anekdoten. Ein offensichtlicher Höhepunkt fehlt, trotzdem wird es niemals langweilig. Der Schreibstil wirkt als könne er einem Tagebuch - einer eben klugen Person - entstammen.
Das Ende ist somit nicht vorhersehbar und überraschend tragisch und zugleich schön.
Für mich war "Dicht" ein erfrischend anderes Buch über eine Jugend halb auf der Straße.