Rezension zu "Streuner: Verflucht liebenswert" von Stefanie Scheurich
h schreibe nur sehr ungern nicht so gute Rezensionen, deshalb fange ich mit dem Guten an: der Klappentext ist schön geschrieben und hat mich sehr angesprochen und das Buch ist auch innen sehr liebevoll gestaltet. Zudem erzählen die beiden Hauptcharaktere ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive abwechselnd selbst, was mir immer sehr gut gefällt. Auch sind die Erzählteile, in denen Boru als Kater herumläuft und Greta näherkommt, sehr unterhaltsam zu lesen.
Zu den nicht so guten Sachen: es wirkt nicht, als soll dieses Buch die Leser*innen traurig zurücklassen, dennoch fand ich die Geschichte in erster Linie sehr traurig. Auf der einen Seite ist da das System der Hexen und Hexer. Die meisten in dieser Welt benehmen sich unglaublich arrogant und grausam - sei es nun gegenüber den sogenannten Normalos (ein Wort, das ich generell nicht mag) oder gegenüber ihren eigenen Jugendlichen. Die Schule, auf die Boru geht, scheint keinen Platz für Hobbies, Träume oder Individualität zu haben, die Strafen sind völlig übertrieben und alle scheinen das in Ordnung zu finden. Allein, dass ein Jugendlicher für 5 Jahre auf eine völlig isolierte Insel verbannt werden soll, ohne Möglichkeit sich zu beschäftigen, scheint da normal zu sein, obwohl massive psychische Schäden vorprogrammiert sind. Ebenso scheint keiner etwas daran zu finden, wie Borus Mutter ihn permanent terrorisiert, verzaubert, demütigt und verstößt. Das wird später damit entschuldigt, dass sie anders aufgewachsen ist, die Welt deshalb anders steht und eine schlimme Kindheit hatte. Mit fehlt die Einsortierung, dass eine schlimme Kindheit keine Entschuldigung ist, das eigene Kind zu misshandeln. Diese magische Welt scheint insgesamt kein Ort zu sein, an dem man sein möchte.
Auf der anderen Seite ist Greta, die offenbar von ihren Eltern völlig vernachlässigt wird und dadurch eine allumfassend negative Lebenseinstellung entwickelt hat. Diese sehr präsente Baustelle mit ihren Eltern wird den Leser*innen allerdings nur hingeworfen und nicht bearbeitet, da Greta auch ihre Therapiestunden sabotiert und auch später nur das sagt, wovon sie meint, die Vertrauenslehrerin wolle es hören. Greta hasst eigentlich alles und jeden und es scheint ihr Lebensinhalt zu sein, alle zu nerven, um von der Schule zu fliegen - ob sie irgendetwas gerne macht, weiß man eigentlich nicht. Später fängt sie an, sich in das System einzulassen, aber man hat eher das Gefühl, dass sie sich in Arbeit stürzt, um vor sich selbst zu fliehen, nicht weil sie irgendwo ankommt und sich in irgendeine Richtung entwickelt. Vielmehr scheint sie sich mit dem System notgedrungen zu arrangieren. Warum sie sich später plötzlich mit dem Typen, den sie am wenigsten leiden kann, anfreundet oder wie sie nun eigentlich wirklich zu ihrer nervigen Cousine steht, erschließt sich mir leider bis zum Schluss nicht so richtig. Zu dieser Cousine hat Boru übrigens ein Pendant, seine Schwester. Beide, Cousine und Schwester sind nervige Streber, die jeweils Greta oder Boru ständig versuchen zu belehren und sehr darauf bedacht sind, zu gehorchen. Auch sind sich diese beiden Nebencharaktere mit der jeweils fast gleichen Aufgabe für meinen Geschmack zu ähnlich - selbst die Namen sind ähnlich.
Was ich auch irritiered fand, war dass die angeblich mächtigsten Hexen wie selbstverständlich von Erinnerungslöschungen sprechen, diesen Zauber bei einem Teenie aber offenbar nicht richtig hinbekommen, so dass besagter Teenie das Gefühl generiert, den Verstand zu verlieren. Ich will nicht spoilern, aber sie wirken diesen Zauber später erneut und ich sorge mich um betreffende Person.
Auch das Ende kam sehr plötzlich und ich fragte mich, warum wir nicht zu hören bekamen, wie die beiden Hauptcharaktere sich wieder annähern und neu kennenlernen konnten und wie es zu dieser Endszene kommen konnte. Das hätte ich wirklich gern gelesen, denn die ersten Annäherungsversuche waren sehr herzerwärmend.
Da mussten zwischen dem Ende und dem Epilog bei beiden einige größere Entwicklungsschritte passiert sein, die wir aber leider nicht zu hören bekommen. Ebenso werden die spannenden Szenen übersprungen und nur in kurzen Rückblenden erzählt.
So gibt es noch einige weitere Punkte, die ich als lose Fäden empfand oder wo mir eine Einsortierung fehlte.
Fazit: die Idee, wie sich ein Hexer, der in einer Katerverwandlung steckt, in ein Mädchen, dass mit der ganzen Welt zu kämpfen hat, verliebt und wie sie das erwidert, ist megaschön. Aber mit der Umsetzung und der magischen Welt wurde ich leider überhaupt nicht warm. Wenn man das Ganze oberflächlich liest und sich an der süßen und ungewöhnlichen Liebesgeschichte erfreut, ist es okay, aber wenn man genauer hinschaut und auch Wert auf das Rundherum legt, ist vieles leider nicht gut gelöst, finde ich.
Schweren Herzens vergebe ich deshalb nur zwei Sterne 📚📚