Steffi Burkhart

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Lebenslauf

Dr. Steffi Burkhart ist Jahrgang 1985 und versteht sich als Sprachrohr der Generation Y. Sie bloggt, schreibt E-Books und Beiträge in Magazinen, spricht auf großen Bühnen, in Podiumsdiskussionen und im TV. Sie war inhaltlicher Kopf der GEDANKENtanken Akademie, war Vorstandsmitglied der German Speakers Association, Dozentin der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft und sucht aktuell nach neuen Herausforderungen.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Steffi Burkhart

Neue Rezensionen zu Steffi Burkhart

Generation in Geiselhaft

Bei kaum einer Rezension ist es mir bisher so schwergefallen, mich auf einen Titel festzulegen. Nein, nicht weil mir kein Titel eingefallen wäre. Im Gegenteil: es waren zu viele Ideen. Der erste Titelentwurf drehte sich um eine Usurpation, die Vergewaltigung im Sinne eines gewalttätigen Ge-, ja Missbrauchs . Aber die Verfasserin des Buches, über das ich heute schreiben möchte, taugt von ihrer Erscheinung so recht gar nicht für das Zerrbild eines brutalen Usurpators. Aber trotz ihrer harmlos erscheinenden Gesichter ist die Geiselnahme, die sie betreibt, nicht weniger gewalttätig und brutal, nicht weniger maßlos in ihrem Anspruch. Frau Dr. Steffi Burkhart usurpiert eine ganze Generation - die Generation Y.

Um es gleich zu sagen: Nein, ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen. Nach der Mitte reichte es mir!

Wie ist, wie tickt die Generation Y, diese Frage zu beantworten verspricht das Buch. Nach gefühlt tausenden von Artikel und Blogbeiträgen und mittlerweile gut einem Dutzend „genossenen“ Büchern zur Gen-Y hatte ich so sehr auf etwas Neues, etwas Ausgewogenes gehofft. So sehr. Was ich fand, ist eine der mit Abstand hemmungslosesten Verallgemeinerungen und narzisstisch geprägten Eigenfixierungen, die ich jemals lesen musste. Und dass, wo ich Verallgemeinerungen über die Gen-Y wirklich gewohnt bin  - positiv, wie negativ. Es scheint ohnehin ein geradezu wollüstiger Genuss darin zu liegen, einer kompletter Generation, geschätzten 20 Millionen Menschen, eine Kappe überzustülpen. One-size-fits-all.

Und wie sollen diese 20 Millionen nach Frau Dr. Burkhart aussehen? „Ehrgeizig und gut gebildet, weltweit vernetzt, bestens informiert“ sollen sie sein. Eine „Generation der Akademiker“, von denen viele „ein oder mehrere Auslandssemester“ sowie Praktika absolviert haben. Stop. Zeit für einen ersten Einspruch.

Ja, die Zahl der Studierenden steigt. Seit Jahren. Aber dass ein Studium noch lange nicht heißt, dass Ehrgeiz geweckt werden und der Studierende gut und umfassend gebildet ist, das erleben unzählige Vorgesetzte junger Akademiker jeden Tag. Eher beschleicht die durchschnittliche Führungskraft das Gefühl, allzu oft einer mit viel heißer Luft aufgeblasenen Mogelpackung aufgesessen zu sein. Häufig ist es die Generation X, die den Jüngeren beibringen muss, wie man gründlich recherchiert, auch und gerade im Internet. Eher sind es die 40-50-jährigen, die über das antriebslose herummeandern junger Absolventen den Kopf schütteln und versuchen, sie zu nachhaltigen Entscheidungen zu bewegen. Das „multioptionale“ Aufwachsen, das die Autorin in ihrer Generation erkannt haben will, führt in den meisten Fällen nicht zu besseren Entscheidungen, sondern zu gar keinen. Eine große Anzahl der Gen-Y, und zwar exakt der Teilgruppe über die Frau Dr.Burkhart schreibt, neigt eher zu einem Charlie-Brown-wischi-waschi-Lebensstil. Wobei wir bei der Teilgruppe sind und dem Kardinalfehler, dem viele Autoren und auch Frau Dr. Burkhart unterliegen. Sie betrachten eine Gruppe und sehen nur die, die am lautesten und schrillsten schreien. Es ist fast wie in einem Spatzennest, in dem ein Kuckuck sein Ei gelegt hat. Der große, laute Kuckuck schreit und flattert und die verwirrten Spatzeneltern sehen nur ihn.

Fakt dagegen ist: Nur eine Teil der Generation-Y hat studiert, nicht einmal die Hälfte. Und hiervon wiederum nur ein Teil erfolgreich. Und mit erfolgreich meine ich nicht nur irgendwie einen Studienabschluss geschafft zu haben, sondern zum Handeln bereit zu sein. „Handeln, nicht wissen, ist das Ziel von Bildung“, wie schon der britische Philosoph Herbert Spencer richtig bemerkte. Aber ist das der durchschnittliche Absolvent wirklich? Bereit zum Handeln?

Warum kommt es zu solchen Verwerfungen in der Betrachtung? Wieso sind scheinbar tadellos ausgebildete junge Menschen nicht in der Lage, einfachste Sachverhalte zu sehen? Warum blockiert ihr Blick scheinbar vor den offensichtlichen Tatsachen? Denn Fakt ist, gerade einmal wieder von der OECD unangenehm bescheinigt: Wir sind nicht das Land des Bildungserfolgs. Wir sind das Land der Bildungstrennung. Erfolg stellt sich mehr und mehr und statistisch klar nachvollziehbar in Deutschland nach dem Matthäus-Prinzip ein: Hast du viel, bekommst du viel. Hast du wenig, wird dir das Wenige noch genommen (vgl. Matthäus Kap. 25, Vers 29). Für eine Bildungselite, die sich aus akademischen Elternhäusern entwickelt, ist das Leben ein großer Regenbogen voller Optionen. In dem „Mama“ drei Geschwister „4-6 Mal die Woche“ zum Sporttraining fährt. In dem „diverse Musikinstrumente gekauft [werden]: Querflöte, Gitarre, Schlagzeug und Klavier“. Und - so möchte ich hinzufügen, in dem in jeder halbwegs schwierigen Lage eine helfende Hand da ist. Schlecht im Sprachunterricht? Auslandsschuljahr in Australien, Südafrika oder Kanada. Wartesemester? Nette Praktika in Buenos Aires, Hongkong oder Madrid oder vielleicht gleich an eine Privathochschule ohne Wartezeit. Wir wären in einer Zeit des Überschusses großgeworden, schreibt die Autorin. Ja, Frau Burkhart. Wie die OECD gerade wieder einmal festgestellt hat, haben Wohlhabende in Deutschland immer mehr, aber eben leider auch immer mehr Menschen immer weniger. Es ist die Zeit der Einzelkinderben, die nicht nur von zwei gut verdienenden akademischen Eltern erben, sondern häufig genug auch noch von den Großeltern mit reichlich entspannendem Kapital versorgt werden. Kein Grund also, sich zu schnell für einen Beruf zu entscheiden. Das Wort von der „Erbengeneration“, die nach der „Me-first-Taktik“ leben, die so genannte „Einzelkindproblematik“ von der zahllose Personaler Albträume bekommen, sind keine Erfindungen, sondern Fakten. Junge Menschen, die in ihrem ganzen Leben noch nie Entscheidungen bereuen mussten, noch nie für Fehlentscheidungen wirklich bitter zahlen mussten und die von ihren Eltern mit einem dermaßen überzogenen Selbstbewusstsein aufgeplustert wurden, dass sie sich selbst als Absolutum betrachten.

Was aber passiert, wenn diese Gruppe der Generation-Y - und nach einer Studie der Boston Consulting Group macht die von Frau Burkhart skizzierte Untergruppe gerade einmal 13% der Gen-Y genannten Altersjahrgänge aus - was also passiert, wenn sie doch einmal auf die Nase fallen, die ‚multikulturellen, experimentierfreudigen und erlebnishungrigen‘, die nicht nur in die Zeit des Internets hineingeboren wurden, sondern quasi verwachsen scheinen mit Smartphones und Tablet-Rechnern, die 24 Stunden ‚online‘ sind, fortwährend ‚liken‘ und ‚posten‘. Was passiert, kann der staunende Leser z.B. in einer Artikelreihe von Antje Rabenalt lesen (http://berufebilder.de/2013/deutsche-fachkraefte-gestrandet-amerika-zurueck-finden/)  Da drängen sich hochausgebildete Gen-Y’ler um eine deutsche Karriereberaterin, weil sie keinen Weg zurück nach Europa finden. „Das ist zum Beispiel Tom, der auf pädiatrische Intensivmedizin spezialisierte Neurobiologe, der extra aus Houston gekommen ist. [...]Heute programmiert er, und eigentlich ist er auch Physiker und würde gern auch mal etwas ganz anderes machen.“ Ein echter Tausendsassa möchte man meinen, aber leider fehlen ihm dann doch die Informationen, denn „Wo findet man eine geeignete Stelle? Wo soll er suchen? Einmal hatte er sich durchgerungen, eine Bewerbung zu schicken. Aber eingeladen wurde er nicht. Er  hat auch keine Absage bekommen. Irgendwie hat sich bei ihm das Gefühl festgesetzt, er sei nicht besonders willkommen.“ Ja, lieber Tom, möchte man sagen und unserem Tausendsassa die beruhigende Generation-X-Hand auf die Schulter legen. Da gibt es jetzt so etwas Neues: Internetz. Kennt sogar unsere Kanzlerin schon. Da kann man Jobanzeigen suchen oder mal nach Arbeitgebern forschen oder mal eine „E-Mail“ schreiben. Klingt komisch, ist aber so. Und nein, Tom, nur weil du auf eine (in Zahlen: 1) Bewerbung keine Antwort bekommen hast, musst du nicht traurig sein. Irgendwer wird sich sicher eines pädiatrischen, programmierenden Neurobiologen-Physiker-Intensivmediziners erbarmen. Es gibt ja auch Firmen, die rettungsschwimmende Reinigungskräfte suchen, warum soll es nicht auch für Tom eine Lösung geben?

Was - nicht nur, aber auch im Buch von Frau Dr. Burkhart - kreiert wird, ist das Trugbild einer Generation, die es nicht gibt und nicht geben wird. Hier wird eine Generation missbraucht , damit sich eine kleine Gruppe ihre „ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“-Träume erfüllen kann. Und leider reagieren viele, allzu viele Arbeitgeber wie die bereits erwähnten Spatzeneltern. Selbst kleinere Mittelständler krampfen sich umfangreiche Bespassungsprogramme für angebliche Elite-Absolventen zusammen, inklusive Auslandsaufenthalten und Sonderprojekten, nur um dann am Ende solcher Flitterwochen festzustellen, dass die vom bunten Flitter angelockten Gen-Y’ler keine Lust auf den nun folgenden langen und  mühsamen Ehealltag, sprich Karriereweg haben und ‚schwer enttäuscht‘ zum nächsten Arbeitgeber oder dem eigenen Start-up geflattert sind.

Wie die meisten der Generation X habe ich gern Pippi Langstrumpf gesehen/gelesen. Aber ebenfalls wie die meisten wusste ich, dass mein Vater kein Piratenkapitän ist und ich keine Goldtruhe in unserer Küche finden werde. Und für die meisten jungen Menschen, die der Generation-Y altersmäßig angehören, ist es ebenso. Sie wachsen mal besser, mal schlechter auf und suchen mal intensiver, mal weniger intensiv ihren Platz im Leben. Freunde, Familie, einen bestenfalls interessanten Arbeitsplatz, von dem man leben kann. Ein Start-up in Los Angeles und Praktika in Singapur sind die Optionen von wenigen. Aber die vielen, für die das nie eine Chance auf Verwirklichung hat und deren Träume manchmal am eigenen Dorfrand aufhören, die vielen verdienen mindestens ebenso unsere Aufmerksamkeit wie die Burkhart’s dieser Welt. Vielleicht noch mehr, denn sie sind vielleicht schon ein wenig ramponiert vom Kuckuck in ihrem Nest.

Wie wäre es, wenn wir die ganze Pauschalisierung mal lassen und wieder anfangen, Menschen zu sehen. Menschen mit Träumen und Ängsten, mit Fähigkeiten und Fehlern. Sie unvoreingenommen und gleich zu sehen. Wie sagte Charlie Chaplin in seiner berühmten Rede als „großer Diktator“? Denn im Lukas-Evangelium steht geschrieben: Das Königreich Gottes ist im Menschen. Nicht in einem Menschen oder einer Gruppe, sondern in uns allen.

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