Cover des Buches Über die Liebe (ISBN: 9783596902989)
Rezension zu Über die Liebe von Stendhal

Rezension zu "Über die Liebe" von Stendhal

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 11 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 11 Jahren
Dieses Buch erklärt einfach, vernünftig, sozusagen mathematisch die verschiedenen aufeinander folgenden Gefühle, deren Gesamtheit die Leidenschaft der Liebe heißt. - verspricht der Autor im Vorwort. Eine Gebrauchsanleitung zum menschlichen Herzen ist Über Die Liebe allerdings keineswegs. Statt simpler Formeln und einer nüchternen Grafik bekommt man zahlreiche Anekdoten, schwärmerische Berichte über Verliebte. Stendhal möchte der Liebe auf den Grund gehen, ihre Entstehung ergründen, untersuchen wie sie sich bei den verschiedenen Geschlechtern äußert. Zu seiner Zeit war das vermutlich etwas Neues, hatten sich damals ja weder Psychologie noch die Naturwissenschaften eingehend mit diesem Thema beschäftigt. Allerdings ist seine Herangehensweise etwas konfus. Das Buch ist Essay, philosophische Abhandlung, Anekdotensammlung und Ratgeber in einem. Oft hatte ich das Gefühl, als hätte er einfach alles, was ihm gerade in den Sinn kam in das Buch hineingepackt, auch wenn es nicht immer viel mit dem zentralen Thema zu tun hatte. Dadurch liest sich das Werk eher wie ein Tagebuch oder die Rohfassung eines Manuskripts, bei dem nie ein Lektorat durchgeführt wurde, nun weiß ich nicht, ob es den Beruf des Lektors damals überhaupt schon gegeben hat, aber in diesem Fall hätte man doch das eine oder andere streichen bzw. verkürzen können. Eine leichte Lektüre war Über Die Liebe nicht unbedingt, die unzähligen Namen des damaligen öffentlichen Lebens, die Stendhal erwähnt und die er als Beispiele immer wieder heranzieht waren mir als moderner Leser zum Großteil unbekannt (einige der historischen Gestalten wie z.B. Madame De Polignac, Marie Antoinettes verschwendungssüchtige Freundin, lassen sich aber leichter identifizieren). Außerdem zitiert Stendhal häufig andere Autoren und scheut sich nicht ganze Passagen aus dem Tagebuch eines Freundes zu übernehmen. So war ich mir manchmal nicht ganz sicher, was nun von ihm selbst stammt und was er sich nur aus anderen Quellen geborgt hat. Besonders zäh wurde es, als er über die Ehegewohnheiten der verschiedenen europäischen Völker berichtete, dass die Deutschen besonders treu sein sollen, brachte mich schon etwas zum schmunzeln und ist heute sicher nicht mehr aktuell. Das Bild des angreifenden, aggressiven Mannes und der scheuen sich verteidigenden Frau, das er zeichnet gehört sicher auch der Vergangenheit an, einiges an dem Buch ist aber durchaus heute noch aktuell. Mir fällt es gerade selber etwas schwer meine Gedanken zu ordnen, Über Die Liebe enthält einige wirklich interessante philosophische Gedanken, aber es ist wirklich nur Lesern zu empfehlen, die zumindest ein wenig mit der (Kultur-)Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts vertraut sind. Immerhin, Stendhal wäre sicherlich geschmeichelt, wenn er wüsste, dass sein Buch noch im 21. Jahrhundert Gegenstand von Diskussionen ist.
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