Cover des Buches "Ich musste sie kaputt machen." (ISBN: 9783548374796)
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Rezension zu "Ich musste sie kaputt machen." von Stephan Harbort

Keine leichte Kost, aber lesenswert

von Egwene vor 7 Jahren

Rezension

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Egwenevor 7 Jahren
Das Buch stand schon lange auf meiner Liste und nun habe ich es endlich gelesen. Es geht hier um einen Serienmörder, der mehr als zwei Jahrzehnte gemordet hat, bis er endlich gefasst werden konnte. Anders als in den meisten anderen Büchern von Stephan Harbort geht es hier also nur um einen einzigen Fall. Der hat es aber in sich. Es wird chronologisch erzählt, wie der Täter aufwuchs über seine ersten Morde bis hin zu seiner Verurteilung. Stephan Harbort nähert sich einer unfassbaren Tat ohne Schwarz-Weiß-Malerei oder reißerischem Gebahren. Was ein Grund ist, warum ich die Bücher so mag, reißerische Aufmachung a la Bild mag ich gar nicht. Dabei schafft es das Buch allerdings, an keiner Stelle langweilig zu sein, es liest sich flüssig und spannend. Das Buch beginnt mit einer kurzen Beschreibung der letzten Tat, bevor wir einen großen Sprung zurück in die Kindheit des Täters machen und sehen, wie er aufwuchs. Hatte ich am Anfang noch ein wenig Mitgefühl mit ihm, war das sehr schnell verschwunden, als die ersten Taten beschrieben wurden. Ich sehe gerne Horrorfilme und habe viele Bücher gelesen und dachte, mich kann so leicht nichts mehr erschüttern, aber das Buch hat es geschafft, dass ich zwischendrin absetzen musste. Dabei war es weniger eine Beschreibung der Morde, die mich schockiert hat, sondern die unglaubliche Gleichgültigkeit und der Egoismus des Täters. Dieser Nebenbei-Faktor, den die Taten oft hatten. Beispielsweise wurde erzählt, wie der Täter um 12.30 in einen Waldweg einbog und dann, wie er um 12.51 auf den Bus wartete, und ich dachte noch: Oh gut, er hat sie nicht erwischt. Hat er aber doch. 21 Minuten reichen anscheinend, ein Opfer auszugucken, die Lage abzuchecken, das Opfer zu erdrosseln und dann wieder pünktlich an der Bushaltestelle zu sein, um wieder nach Hause zu fahren. Kroll erscheint mir als Mensch mit einer unglaublich flachen Denkweise. Zuerst mal zählen für den Menschen nur die eigenen Bedürfnisse. Ich, ich, ich, außer es geht um das Thema, wer schuld ist, das sein Leben nicht läuft: Die anderen, die anderen, die anderen. Er hat soziale Probleme und sicher verdient es keiner, gemobbt zu werden, ich denke aber dennoch, wenn man immer aneckt und sich mehr soziale Kontakte wünscht, dass man auch selbst an seinen sozialen Fertigkeiten arbeiten muss, statt immer nur zu erwarten, dass einem die anderen auf halbem Weg entgegen kommen. Wenn es überhaupt nur der halbe Weg ist. Er beschreibt, er fühle sich einsam, aber andererseits bedeutet ihm Freundschaft auch gar nichts und er findet auch nichts dabei, das Kind eines Freundes zu missbrauchen oder mit seiner Frau fremd zu gehen. Dabei scheint ihm das oft noch nicht mal bewusst zu sein, dass oder ob er was falsch macht, sondern ist oft basserstaunt, dass er eine Ablehnung bekommt, wenn er einfach so bei der Frau eines Bekannten reinschneit und einfach eröffnet, sie solle den "Bekloppten" verlassen (der Betreffende ist schizophren) und doch ihn nehmen dafür. Stephan Harbort beschreibt an einer Stelle, der Täter sei nicht dumm, aber "primitiv". Primitiv trifft es ganz gut, obwohl ich ihn auch nicht für sonderlich schlau halte. Irgendwo stand mal (allerdings nicht im Buch, sondern bei google) das er einen IQ von 76 oder so hatte, und das entspricht auch dem Eindruck, den er hinterlässt. Das Konzept, ein Bedürfnis aufzuschieben, scheint ihm völlig fremd zu sein. Er hat einen Impuls und scheint nicht mal auf die Idee zu kommen, den auch unterdrücken zu können. Er scheint auch nicht in der Lage zu sein, Konsequenzen abzusehen - oder überhaupt bereit zu sein, die Verantwortung für solche zu ertragen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, als ihm aufging, dass er nun lebenslänglich bekommen würde und versuchte, sich mit der Geschichte aus der Affäre zu ziehen, dass er das Kind, dessen Kopf in seiner Gefriertruhe und dessen Gliedmaße in seinem Kochtopf gefunden wurden, schon tot gefunden und dann aus Nervosität zerschnitten hätte. Insgesamt sind solche Details eher spärlich im Buch vertreten, was ich gut finde. In dem Fall fand ich es okay, weil es einfach die Lächerlichkeit aufzeigte, wie er versuchte, obwohl alles gegen ihn sprach, sich aus der Affäre zu ziehen. Traurig war hierbei auch, wie viele Menschen unschuldig für seine Taten ins Gefängnis wanderten. Elf Stück. Daran sollte man vielleicht auch mal denken, wenn mal wieder eine reißerische Überschrift auf eine "Bestie" hinweist und der Mob zum "kreuziget ihn" aufgehetzt wird. Es wird beschrieben, wie ganze Existenzen zugrunde gingen, selbst wenn die Unschuld bewiesen wurde, weil das Umfeld dennoch hartnäckig an die Schuld glaubte.
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