Als Steve Jobs im Januar 2010 der Öffentlichkeit das iPad vorstellte, pries er es als einzigartig, als unglaubliches Erlebnis, als das Beste überhaupt, um Fotos anzusehen, Musik zu hören, Spiele zu spielen. „Er glaubte, jeder solle ein iPad besitzen. Seinen Kindern aber verweigerte er hartnäckig die Benutzung des Geräts“, schreibt Adam Alter, Professor für Marketing, in „Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit“. Mit anderen Worten: Steve Jobs hielt sich an die Grundregel aller Drogendealer: Nimm selbst nie die Drogen, die du verkaufst.
Gemäss Adam Alter sind unsere Vorstellungen von Sucht zu beschränkt, denn wir denken bei Süchtigen regelmässig an Menschen mit bestimmten Anlagen, die von Substanzen abhängig wie Heroin, Alkohol, Kokain, Nikotin etc. abhängig sind. Alters Meinung nach „entsteht Sucht vor allem aus einer Mischung aus Umwelteinflüssen und Umständen.“ Er redet von Verhaltenssüchten und diese sind vielfältig: Glücksspiel, Shopping, soziale Netzwerke, E-Mail etc..
Verhaltenssucht ist nicht nur ein eigenartiger, sondern ein irreführender Begriff, denn so recht eigentlich kann sich der Mensch nicht nicht verhalten – wir verhalten uns immer – und natürlich ist nicht jedes Verhalten ein süchtiges. Sucht sei „eine starke Bindung an Erlebnisse, die schädlich und dennoch unwiderstehlich sind“, so Professor Alter.
Das klingt, als ob alles zur Sucht werden kann. Und so ist es auch. Dazu kommt, dass die moderne Konsumgesellschaft durchaus ein Interesse daran hat, uns süchtig zu machen, denn wir sollen ja kaufen, kaufen, kaufen und je weniger wir den Angeboten widerstehen können, desto besser für die Wirtschaft.
Der Psychotherapeut und Coach Werner Gross sieht die Sucht als ein Grundproblem unserer Konsumgesellschaft, denn deren Leitsatz sei: „Noch mehr, noch grösser, noch besser, noch bequemer“, schreibt er in „Was Sie schon immer über Sucht wissen wollten“ (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2016). Die Folge davon ist, dass wir uns nicht mehr nach unseren Grundbedürfnissen ausrichten, sondern nach dem, „was uns angeboten oder eingeredet wird.“ Was nottut, so Gross, ist „eine gesellschaftliche Rückbesinnung auf Lebenswerte, die ein sinnvolles und lustvolles Leben auch ohne Drogen oder süchtige Verhaltensweisen möglich macht“ sowie „eine eindeutige, von allen Experten akzeptierte Begriffsbestimmung der Sucht zu finden.“ Letzteres ist deswegen nötig, da auch stoffungebundene Süchte das Alltagsleben beeinträchtigen und als Krankheiten anerkannt gehören.
Es gehört zu Adam Alters Verdienst, dass er mit zahlreichen Beispielen auf solch stoffungebundene, süchtig-machende Verhaltensweise aufmerksam macht, an die wir gemeinhin nicht denken, wenn wir von Sucht sprechen. „Wir hängen an unseren Telefonen, an E-Mail und Videospielen, an Serien und an der Arbeit, an Shopping und an Fitness.“ Wie auch an Instagram-Likes und Facebook-Posts.
Was also ist zu tun? Die Technik zu verbannen, hält Alter für keine gute Idee. Stattdessen plädiert er dafür, sich eine eigene „Verhaltensarchitektur“ zu schaffen, also etwa seinen Handy-Gebrauch einschränken. „Kein Handy beim Essen. Oder man setzt sich Tageszeiten, an denen man keine Bildschirme benutzt. Besonders 90 Minuten bis eine Stunde vor dem Schlafengehen ist das sinnvoll. Der Bildschirm strahlt blaues Licht aus, da denkt unser Gehirn, dass es wach bleiben muss. Dadurch schläft man unruhiger. Das Gleiche gilt für morgens. Man kann sich nach dem Aufstehen ruhig mal gönnen, die erste halbe Stunde ohne Bildschirm wach zu werden.“
Und die Wirtschaft, soll die gar nichts tun? Doch, soll sie und laut Prof. Alter ist es auch durchaus möglich, „Produkte und Erlebnisse zu schaffen, die zwar unentbehrlich sind, aber deshalb noch lange nicht süchtig machen.“ Fragt sich nur, ob das im Interesse der Wirtschaft liegt.