Rezension zu "Blumenkind" von Claus Stephani
Bei der Suche nach einem Buch für unsere kleine Rumänienrundreise bin ich auf den Roman „Blumenkind“ von Claus Stephani gestoßen, das bereits im Jahre 2009 erschienen ist.
Inhalt:
Die 19jährige Beila, deren auffallend schönes rotes Haar ihr zum Verhängnis werden könnte, muss ihr Dorf verlassen, als ihr Mann von den Wölfen geholt wird. Jahre der Angst und Entbehrung liegen vor ihr, aber auch Begegnungen großer Leidenschaftlichkeit. Nach der Geburt ihres unehelichen Kindes, ihres Blumenkindes, muss sie noch weiter in den Osten Rumäniens ziehen. Deutsche und Juden, Ruthenen und Rumänen, Ungarn, Zipser und Zigeuner leben in den Dörfern Seite an Seite, bis die Faschisten kommen. Jahrzehnte später macht sich Beilas Tochter, Maria, auf den Weg in diese bis heute abgeschiedene Gegend Europas, um dem Schicksal ihrer Mutter auf die Spur zu kommen…und verliebt sich dort selbst in ein Blumenkind.
Meinung:
Claus Stephani erzählt in seinem bereits 2009 erschienenen Roman in zwei Erzählebenen die Geschichte von Beila und Maria.
Zum einen erleben wir gemeinsam mit Beila die Gefahr, die eine alleinstehende Frau in der abgeschiedenen archaischen Welt der Karpaten ausgesetzt ist. Später kommt noch die Gefahr durch die Nationalsozialisten dazu. Als Jüdin und alleinstehende Frau mit unehelichem Kind muss sie ihre eigene Identität verheimlichen, um zu überleben. Andererseits erfahren Beila und ihr Kind, Maria, viel Unterstützung und Hilfe von den Einheimischen. Beilas Situation wird sehr anschaulich beschrieben. Man leidet und bangt mit ihr.
Zum anderen begleiten wir Maria, wie sie Jahrzehnte später aus Deutschland, mitten im Kalten Krieg, nach Rumänien reist, um dem Schicksal ihrer Mutter auf die Spur zu kommen. Erschreckend, wie Maria hier ihre eigenen Kindheitserinnerungen bzw. –wahrnehmungen widergibt, die stark von der Wahrheit abweicht.
Claus Stepanis Schreibweise erinnert an ein Märchen. In der wahren Geschichte baut er geschickt ostrumänische Mythen und Märchen mit ein. Rumänische und jüdische Begriffe fließen hinein und werden sofort erklärt. Den Lesefluss stört es gar nicht. Im Gegenteil, man fühlt sich mittendrin in dieser uns fremden Welt und lange vor unserer Zeit. Sehr hilfreich war die Rumänienkarte am Ende des Buches. So konnte man Beilas und Marias Flucht gut verorten.
Dem Autor ist es sehr gut gelungen die fremde weite Welt in Ostrumänien einzufangen. Er beschreibt sehr gut, wie an sich viele Völker in dieser sehr abgelegenen Gegend in Europa friedlich miteinander leben bis dann die Faschisten, selbst in dieser abgeschiedenen Region, ihre menschenverachtenden Ideologien verbreiten. Gegen Ende überraschte Stephani mich mit Wendungen in der Geschichte, mit denen ich gar nicht gerechnet hatte. Das Ende hinterließ mich etwas sprachlos und geschockt zurück. Andererseits war das Ende – passend zum Erzählstil – konsequent. Ich hatte schon lange kein Buch gelesen, dessen Ende mich so überrascht hatte.
Fazit:
Wer sich für die rumänische Geschichte und Kultur vor 1945 interessiert und/oder bereits die Bücher von Iris Wolff gelesen hat, dem könnte der Roman Blumenkind von Claus Stephani gefallen. Es ist keine einfache Geschichte und man darf kein Happy End erwarten. Auch wenn sich das Buch wie ein Märchen liest, beruht die Geschichte auf wahre Begebenheiten, wie der Autor am Anfang des Buches anmerkt. Wer sich diesen Wahrheiten stellt, erfährt viel über einen Ort und eine Geschichte, die uns Westeuropäer noch sehr unbekannt ist. Ein Roman, das aufwühlt und zum Nachdenken bringt.