Rezension zu "Die Zifferblattmalerin" von Stephanie Vonwiller
Titel / Cover:
Das Cover ist in Beige- und Brauntönen gehalten. Diese Farben assoziieren Historie, aber auch die Farbtöne einer Fabrikhalle. Das ebenfalls in braun eingefärbte Foto der jungen hübschen, perfekt frisierten Frau zeigt, dass es um die 20er Jahre geht. Die Schrift des Titels könnte mit dem abgebildeten Pinsel entstanden sein. Sie lässt erahnen, wie geschickt man mit dem Pinsel sein muss. Am unteren Bildrand ist das Zifferblatt einer Armbanduhr erkennbar.
Ich finde, das Cover passt sehr gut zum Inhalt des Romans.
Klappentext:
Aus dem Klappentext geht hervor, dass es um eine Bedrohung geht, die man nicht schmecken, riechen oder sehen kann. Es geht um Verschwörung, Machtgier, Leid und Tod und die gesellschaftliche Stellung der Frauen zu der Zeit.
Erzählt wird die Geschichte zweier Freundinnen, die Wohlstand wünschen, das aufregende Leben der 20er Jahre genießen und nicht ahnen, in welcher Gefahr sie sich befinden.
Auf mich wirkte der Klappentext eher informativ und sachlich, machte mich nicht neugierig auf das Buch. Alle wichtigen Themen des Romans sind im Klappentext angesprochen.
Neugierig auf das Buch machten mich die bisherigen Rezensionen.
Charaktere:
Alle Figuren im Roman sind lebensecht dargestellt. Durch wichtige Hintergrundinformationen, aber auch die gut dargestellte Arbeits- und Lebenssituation kann man ihre Handlungsweise gut nachvollziehen. Ich konnte mich mit beiden Frauen identifizieren. Mit Arlene wegen ihrer Selbständigkeit und ihrem Mut. Mit Gladys wegen ihrer Besonnenheit und ihrem Verständnis für andere. Ich mochte beide von Anfang an. Auch Taylor und Ray gefielen mir gut. Trotz der gesellschaftlichen Unterschiede kamen die vier gut miteinander aus. Ebenfalls sehr realistisch und nachvollziehbar waren für mich der Firmeninhaber und sein Vorarbeiter Olsen. Man konnte das Betriebsklima in dieser Fabrik sehr gut nachempfinden.
Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen, liest sich flüssig. Es geht ja in dem Roman um die unterschiedlichsten Themen. Menschliches, Liebe, Berufsleben, gesellschaftliches Leben, Wissenschaft, Politik. Bei all diesen Themen erhielt ich als Leser die Informationen, die ich brauchte auf sehr spannende Art. Ich war mittendrin im Geschehen und fieberte mit, war traurig, entsetzt oder war erleichtert und freute mich . Es fiel mir mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen, weil ich wissen wollte, wie es Arlene, Gladys, Taylor und Ray erging. Ich wünschte ihnen , dass sie Erfolg hatten und dachte im Alltag oft an sie.
Story:
Im Prolog erfährt man, warum die leuchtenden Zifferblätter so wichtig sind.
Die beiden Freundinnen Arlene und Gladys ergänzen sich. Gladys lebt in einer konservativen Umgebung, denkt nach, bevor sie Entscheidungen trifft. Sie ist ein Familienmensch. Für sie ist es selbstverständlich, die Mutter und die Schwester zu unterstützen, seit der Vater nicht mehr da ist.
Arlene ist durch ihre Erfahrungen selbständiger, risikofreudiger und mutiger als Gladys. Sie ist nicht bereit, sich einem Mann unterzuordnen. Plädiert für Freiheit und Selbständigkeit. Als sie von der Möglichkeit erfährt, in der Fabrik zu arbeiten, nimmt sie die Chance wahr.
Man kann gut nachvollziehen, wie die beiden Frauen, gefangen in ihrer Lebenssituation, versuchen, das Beste draus zu machen.
Besonders gut gefällt mir die unterschwellige Spannung, die von Anfang an entsteht. Durch unser heutiges Wissen kann man sich gut vorstellen, welches Unglück sich da zusammenbraut, während die beiden Frauen ahnungslos sind. Sie wissen es ja nicht besser.
Sehr gut gelungen finde ich, wie sich die Konflikte verstärken: Die Intrige des Vorarbeiters, die Spannungen zwischen Arlene und Gladys, die Fakten und Gerüchte zum Radium.
Bei dem Vorarbeiter kam ich ins Grübeln. Wird er seinen Plan durchziehen, oder kommen ihm seine Gefühle in die Quere? Spannend.
Gut gefallen hat mir, wie die unterschiedlichen Interessen dargestellt sind. Auf der einen Seite die kommerziellen Interessen der Industrie und der Politik, auf der anderen Seite die Wissenschaftler, die in ein pro und contra Lager gespalten sind.
Dasselbe Bild in der Bevölkerung, aber auch bei den Charakteren.
Gladys entwickelt sich zu einer Kämpferin. Trifft ihre Entscheidungen mutig und besonnen. Noch scheint sie gesund zu sein. Wird es für sie und Ray vielleicht doch ein Happy End geben?
Im Epilog erhält man viele nachprüfbare Informationen zum Thema Radioaktivität und sehr ausführliche Quellenhinweise. Beides passt sehr gut zum letzten großen Ereignis im Roman, dass die Gerüchte und Spekulationen mit Fakten und Beweisen zum Schweigen bringt.
Fazit:
Zugegeben, weder Cover, noch Klappentext konnten mich zum Lesen des Buches animieren. Denn ich interessiere mich nicht so sehr für historische Romane.
Erst die vorhandenen Rezensionen machten mich neugierig auf das Buch. Schon nach wenigen Seiten war ich begeistert, mittendrin in der Geschichte und konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil die hochinteressanten Fakten so geschickt in einer spannenden Geschichte verpackt sind.
Dieses Buch unterhält nicht nur spannend, es regt auch zum Nachdenken an. Dank der fundierten Recherche bietet es jedem Leser, egal ob Laie oder Fachkraft, viel Information zum Thema Radioaktivität, die uns täglich umgibt.
Ich kann nur jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen. Es lohnt sich.