Götterdämmerung - letzter Akt der All-Nibelungen
Im letzten Akt seines Wagnerschen Opus, läßt Donaldson seine Protagonisten an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Kräfte gehen.
Anfangs bringt uns der Autor noch in die Wirrungen der Erd-Politik.
Während Morn Hyland im fernen All mit ihrer zusammengewürfelten Besatzung um ihr Leben kämpft, lesen wir auf der Erde um Politik, Intrigen und Verhandlungen.
Wichtig ist, die Zusammenhänge zu verstehen, welcher Plan im Hintergrund steht, wer welche Fäden zieht.
Nach den anfänglichen politischen Verwicklungen nimmt das Buch Fahrt auf, die Ereignisse überschlagen sich, hier macht sich die gewissenhafte Vorarbeit Donaldson bezahlt.
Die Masse von Daten und Ereignissen erschlägt den Leser nicht, es ist indessen ein höchster Genuss im spannenden Labyrinth verwoben zu sein.
Dass die Geschichte immer noch einem Kammerspiel ähnelt ist eine der hohen Weihen der Schriftstellerkunst.
Dabei bedient sich Donaldson eines Kniffs um die Sichtweisen der verschiedenen Personen darzustellen.
Es wird zwischen vielen Haupt-und Nebenfiguren kapitelweise gewechselt, dabei überlappen sich die Übergänge öfters und die Darstellung wird intensiviert.
Und noch etwas fällt auf: die Protagonisten rezitieren immer wieder Aussagen, die ihnen gegenüber im Verlauf des Buches gemacht wurden.
Besonders häufig ist Angus Gedanke, die innerliche Hoffnung, seine Flucht vor den Grauen die passiert sind und noch folgen werden, die Aussage Warden Dios: "Damit muss Schluss sein"
Schluss mit seiner Unifiziertheit, das Leben als Cyborg, dem einprogrammiert wurde wie er sich zu verhalten hat, dem Aufpassser zur Seite gestellt wurden, die ihn quälen, misshandeln, genau wie in seiner Kindheit.
Dieses Beispiel gibt wieder wie sehr sich Donaldson doch um seine Protagonisten kümmert, ihre Innenansichten preisgibt, ihre Gefühle, Hoffnungen.
Andererseits sind sie nur Schachfiguren in einem minuziös geplanten großen Spiel.
Doch gerade dieser Haufen von Piraten, Illegalen, zusammengestoßen mit dem VKMP Raumschiff und Min Donner befreien sich aus ihrer Rolle und spielen das Zünglein an der Waage.
Die Menschheit muss sich zwei Krisen im Verlauf stellen, einer inneren und einer äußeren Gefahr; einerseits die Amnion mit ihrem Schlachtschiff, andererseits auf der Erde zwischen dem Regierungsrat und einem vollkommen machtbesessenen Holt Fasner (der Drache).
Hier ist jetzt Planung bis auf das letzte I-Tüpfelchen gefragt und der kleine Trupp kann allein der Retter der Menschheit sein.
Doch darum geht es schon längst nicht mehr, Morn und ihre Mitstreiter möchten mehr:
"Ob heute Millionen von Menschen umkommen oder nicht, die Polizei bleibt korrupt. Und ihnen das Leben zu retten, ist auf lange Sicht kein Ausweg.
Das einzige, was wir der Menschheit zu bieten haben, das zu einer Änderung führen kann, ist die Wahrheit.”
Die Wahrheit ist das was Angus verändern läßt, die Verläßlichkeit zu dem was ihm gesagt wird, läßt ihn letztendlich die Qualen seines im Kinderbett erlittenden Unrechts überwinden.
Auch die anderen beziehen daraus die Stärke. Ohne die Wahrheit wäre aller Aufwand umsonst, wäre das Scheitern nahe.
Und es wird bis zum Schluss unmenschliches verlangt und jeder geht bis an, oder über seine Grenzen.
Am Ende erkenne ich, dass hier von Anfang bis Ende alles durchdacht war, Donaldson bringt auch seine Leser an ihre Grenzen, hat aber mit dem Amnion Zyklus ein so nicht mehr dagewesenen Science Fiction Serie geschrieben, die für sich einzigartig steht.
Im Original heißt die Serie der Gap-Zyklus, weil "das Gap" das Hyperspatium ist, das Morn in die Katastrophe geführt hat.
Die Leser wird es sicherlich spalten, da die Art zu schreiben seit dem Band 3 ungewöhnlich ist und sicherlich nicht jedermans(fraus) Sache,
aber hier hat der Autor nicht nur hohes Drama verwirklicht, sondern auch die niedrigsten wie die besten Kräfte im Menschen in Extremsituationen sichtbar und erlebbar gemacht.
Wahrheit und Verläßlichkeit sind das höchste Gut des Menschen, mit ihnen benötigen wir keine Götter.
Die Götterdämmerung verdichtet das Buch buchstäblich auf Stecknadelgröße und vielleicht überlebt die Menschheit ohne ihre Götter.
Volle Punktzahl!
Stephen Donaldson
Lebenslauf
Alle Bücher von Stephen Donaldson
Lord Fouls Fluch
Die letzte Walstatt
Die Macht des Rings
Die Macht des Steins
Das verwundete Land
Der Bann des weißen Goldes
Der einsame Baum
Der Bogen der Zeit
Neue Rezensionen zu Stephen Donaldson
Siegfried - dritter Akt der All-Nibelungen
Morn, Davies, Nick, Angus und einem Teil der alten Besatzung gelingt die Flucht von Thanatos Minor.
Verfolgt werden sie allerdings von Nicks alter Feindin Sorus Chatelaine.
Und auch die Amnion haben immer noch Interesse an dem schnellgeborenen Davies und Morn. Dazu kommt hinzu, dass das Nibelungen-Gold in Form des Anti-Mutagenserums noch in Nicks Händen ist.
Auf der Erde zieht der Drache in Form von Holt Fasner seine Fäden, er ist im direkten Gegenspiel zu Warden Dios zu sehen.
Aber auch hier verkompliziert sich die Situation. Die VKMP soll sich von der VKM ablösen.
Die Situation eskaliert im Weltraum bis zum spannenden Showdown.
Müßig wäre es hier eine Inhaltsangabe der knapp 1000 Seiten zu geben - das geht beim besten Willen nicht.
Wichtig zu erwähnen ist die Art von Donaldson zu schreiben und die Nähe zu der Nibelungensage.
Er widmet jeder Figur - und teils auch den Nebenfiguren - ein Kapitel.
Dabei fängt er in den ersten 200 Seiten an, Teile des vorherigen Buches zu wiederholen, seine Helden das Vergangene zu durchdenken.
Angus durchlebt die Worte von Warden Dios "Damit muss Schluss sein.".
Er ruft sich dieses Zitat immer wieder ins Gedächtnis und vergleicht es mit dem Erlebten, sucht eine Lösung für sich.
So wird jeder Charakter bis ins Kleinste durchleuchtet, trotzdem behält Donaldson den Spannungsbogen.
Durch die überlappenden Szenen und Situationen, gerade am actionreichen Ende - die an Operanarien erinnern, die versetzt gesungen - zerreibt uns der Autor in einer teils unerträglichen, fiebrigen Spannung.
Die grundlegende Situation und Beziehung von Angus zu Nick und auch gerade zu Morn erhält eine neue Bedeutung, ja verändert sich unmerklich.
Wer vorher der abgrundtiefe, schwarze und böse Mensch war, bekommt Charakter, eine Geschichte, eine unentrinnbares Schicksal.
Donaldson geht brutal mit seinen Figuren um, er erspart ihnen nichts, keinen blauen Fleck, keinen Knochenbruch, keine Seelenqual.
Noch immer ist dies ein Kammerspiel auf höchstem Niveau - auch die Szenen im All sind minuziös beschrieben, die physikalischen Hausaufgaben hat er gemacht.
Vergleiche mit Wagner sind erlaubt: Siegfrieds Mutter starb bei der Geburt - Donaldson verwendet hier einen faszinierenden Trick beim Schnellwachstum und Kopie des Individuum - seinen Vater mag er nicht (Angus).
Im Kampf ist er gegen Wotan (Warden Dios), der dem Drachen trotzen muss (Fasner)
Davies (Siegfried) ist die eigentliche Hauptfigur des Romans, sein innerer Kampf, seine Ablösung gegen Mutter und Vater, sein viel zu schnelles Erwachsen-werden.
Im Original heißt das Buch "A Gap into Madness", durch die unerwarteten vielen Wendungen und inneren Kämpfe, habe ich mich öfters wie "Madness" gefühlt, gesehnt haben sich alle Protagonisten nach Ordnung: bekommen haben sie Chaos.
Volle Punktzahl!
Die Walküre - zweiter Akt der All-Nibelungen
Nachdem der erste Akt ein Tänzeln zweier schwer angeschlagenen Boxern (Morn und Nick) war, erhöht Donaldson die Taktung im zweiten Akt deutlich.
Die Geschichte wird am Ende des letzten Bandes weitergeführt, Morn und Nick sind auf der Flucht vor den Amnions (die Riesen, die die Götter bedrohen), die sich um ihren Teil des Handels betrogen fühlen und die Herausgabe von Davies, Morns Sohn, verlangen.
Doch Davies wird kurz vor seiner Übergabe an die Amnions durch Morns Eingriff gerettet. Er landet auf der Piratenwelt Thanatos (griech.: der Tod) Minor auch Kassafort genannt.
Eingeteilt wird fortan nicht mehr in einfachen numerischen Kapiteln - jede Szene wird aus Sicht des Betreffenden geschildert.
Dadurch werden wir in die Gedanken-und Gefühlswelt der Einzelnen hineinversetzt und es ist bei manchen Figuren fast nicht auszuhalten wie diese gelenkt, gequält und erniedrigt werden.
Gerade Morn kommt nicht zur Ruhe hat aber durch Min Donner eine im Hintergrund wirkende Verbündete.
Min Donner ist VMKP-Direktorin für Exekutive (Donner: der germanische Donnergott, Wotans Diener), Gehilfin und Leibwächterin von Warden Dios (dios, span.: Gott; Warden klingt wie Woden: der germanische Obergott), der Chef der VMK-Polizei, der im Hintergrund auf der Erde die Fäden zieht.
Ihre Loyalität zu ihm wird durch die Ereignisse auf eine harte Probe gestellt.
Warden hat noch einen für ihn unergründbaren Drahtzieher, der VMK-Chef Holt Fasner (Fafner: der Drache in der Sage).
Die Ereignisse auf der Erde werden nur angedeutet, das eigentliche Ziel aller Beteiligten bleibt im Hintergrund.
Morn, Nick und auch der nach Kassafort geschickte Angus mit Taverner (der durch die Geheimcodes, unendliche Macht auf Angus hat) sind nur Figuren im Spiel der Götter.
Selten habe ich eine solche Dichte und geschickte Verknüpfung von quälenden, in allen Einzelheiten dargestellten Gedanken der Akteure, taktische, komplexe, politische Finessen und Spiele der VMK-Akteure (die Götter), aber auch starke aktionsreiche Situationen gelesen.
Eine Vermischung von Kammertheater-Elementen aber auch Space Opera in ihrer feinsten Art.
Was sich der Drache (Holt Fasner) und der Gott (Warden Dios) noch für Gefechte mit ihren Akteuren liefern, kann man nur ansatzweise ahnen.
Bis auf weiteres ist der dunkle, hungrige Gott erwacht und ob es zu Chaos oder Ordnung kommt, erfahren wir im nächsten Band.
Donaldson hat in den 2 Bänden vorher die Saat gelegt, dessen Ernte er jetzt einfahren kann.
Volle Punktzahl!
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Zusätzliche Informationen
Stephen Donaldson wurde am 13. Mai 1947 in Cleveland (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
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