Sicherheitshalber sei an dieser Stelle eine Spoilerwarnung gegeben!
Ein neuer Fall für Holly Gibney. Eigentlich sogar zwei, denn im ersten ist sie zunächst als Privatermittlerin von „Finders Keepers“ überhaupt nicht involviert, schlägt sie sich stattdessen vielmehr mit Versicherungen und gestohlenem Schmuck herum. Nichts Spannendes, das Hollys messerscharfen Verstand fordert und sie auch nur annähernd auslastet oder begeistert.
Ihre gut befreundete Polizistin Izzy, mit der sich Holly oft zum Mittagessen trifft, weiht Holly in einen aktuellen Fall ein. Nachdem ein unschuldig Verurteilter im Gefängnis zu Tode kommt, geschehen scheinbar wahllose Morde, die schnell den Namen „Stellvertreter-Morde“ erhalten. Denn die Toten halten jeweils einen Zettel in der Hand, mit dem Namen eines Geschworenen, der an der Fehlverurteilung beteiligt war. Es scheint, als wäre ein grausamer Rächer des Verstorbenen darauf aus, alle auszulöschen, die seinerzeit an der Verurteilung beteiligt waren.
Holly steht Izzy inoffiziell mit Rat und Tat zur Seite, ist doch sofort ihr Ermittlerinnen-Hirn angesprungen und hat voller Begeisterung die Arbeit aufgenommen.
Doch dann erhält Holly das Angebot, als Personenschützerin für die extreme und sehr berühmte Frauenrechtlerin Kate McCay zu arbeiten, die durch das Land tourt und eine Halle nach der anderen füllt. McKay hat unzählige Fans, jedoch auch eine Menge Gegner, die nicht davor zurückschrecken, die Feministin zu stalken und ihr gegenüber Morddrohungen auszusprechen.
Holly nimmt diesen Auftrag an und arbeitet zusätzlich, nunmehr offiziell, mit der Polizei an den nicht aufhörenden Stellvertreter-Morden …
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Zunächst einmal lautet der Originaltitel „Never Flinch“, was übersetzt „Niemals zurückschrecken“ bedeutet, und meiner Meinung nach schonmal mehr Sinn ergibt. Aber das mit den unglücklichen Buchtiteln erleben wir hier in Deutschland ja leider öfter.
Komme ich nun zum Roman und dessen Handlung. Stephen King schreibt die neue Geschichte um Holly, die ihm – wie er selbst schreibt – so ans Herz gewachsen ist, dass er sie nicht gehen lassen mag, im Präsenz. Mir ist das nur recht, denn auch ich bin ein großer Fan von Holly, der psychotischen, seltsamen Frau, die wir in „Mr. Mercedes“ kennengelernt haben und die an Bill Hodges sehr gewachsen ist und nunmehr das Büro „Finders Keeper“ leitet. Auch alte Bekannte wie Jerome und seine Schwester Barbara sind wieder mit dabei.
Die Geschichte hat mehrere Handlungsstränge: zum einen den um die Stellvertreter-Morde, zum anderen den um die Feministin und schließlich gibt es dann noch den Strang um Trig, den wir recht schnell als den Mörder der Geschworenen kennenlernen. Zusätzlich auch noch einen Nebenstrang um Barbara, die sich mit der Sängerin Sista B anfreundet und mit ihr gemeinsam auftreten soll, weil die nämlich eines von Barbs Gedichten vertont hat.
Ich hatte wieder großen Spaß an der Lektüre und habe jede Seite mit den Protagonisten, und auch dem Antagonisten, genossen. King hat hier die Handlungsstränge wirklich geschickt ausgeworfen, und dann nach und nach immer weiter zusammengeführt. Auch wenn ich als Leserin recht schnell über „Trig“ Bescheid wusste, so hat King doch eine Wendung geliefert, die ich wirklich gelungen fand. Die Spannung steigert sich nach und nach, und wenn gegen Schluss die genauen Uhrzeiten die jeweiligen Kapitel überschreiben, wird es schon fies spannend, weil man einfach schnell wissen will, was passiert.
Mit hat der neue Roman um Holly also wieder sehr gut gefallen, alles andere als langatmig oder vorhersehbar.
Es gibt als Bonus noch ein „wunderbares“ Benefizspiel zwischen Polizei und Feuerwehr, das es in sich hat. Das Ende sei natürlich weder verraten noch angedeutet. Aber hey, wir alle lieben doch Holly und sind einfach gerne mit ihr zusammen. Ich zumindest. Die unscheinbare graue Maus mit ihrem blitzgescheiten Verstand mag ich wirklich sehr und ich würde gerne noch einmal in einer neuen Geschichte an ihrer Seite sein.
Der Autor selbst schreibt, dass er es durch eine Operation nicht so leicht mit diesem Roman hatte und er diesen mehrfach umgeschrieben hat. Ganz glücklich war er bis zuletzt nicht, kann sich aber immerhin gut damit arrangieren. Hierzu gibt das Nachwort einen genaueren Einblick.
© Marion Brunner für Buchwelten 2025