Stig Dagerman

 4,5 Sterne bei 23 Bewertungen
Autor*in von Gebranntes Kind, Deutscher Herbst und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Stig Dagerman wurde 1923 in Älvkarleby nördlich von Uppsala als Sohn eines Sprengmeisters und einer Telefonistin geboren. Er wuchs bei seinen Großeltern väterlicherseits auf dem Land auf, bis er 1931 zu seinem Vater nach Stockholm zog. 1940 wurde sein Großvater von einem Psychopathen erstochen, eine »Wahnsinnstat«, die ihm lebenslang nachging – zumal kurz darauf ein Freund bei einem gemeinsamen Bergurlaub in einem Lawinenunglück ums Leben kam. Dagerman arbeitete nach seinem Abitur für die anarchosyndikalistische Zeitung »Arbetaren« und debütierte 1945 mit dem Roman »Die Schlange«. Die kommenden Jahre waren geprägt von exzessiven Schreibphasen und einem kometenhaften Aufstieg, aber auch von Schreibblockaden, schweren Depressionen und existenziellen Krisen. 1943 heiratete er die deutsche Geflüchtete Annemarie Götze, mit der er zwei Söhne hatte und über deren Familie er Zugang zu Deutschland fand. Nach dem Scheitern der Ehe heiratete Dagerman 1953 die bekannte Schauspielerin Anita Björk, mit der er eine Tochter hatte. Mit gerade 31 Jahren nahm er sich 1954 das Leben.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Stig Dagerman

Cover des Buches Gebranntes Kind (ISBN: 9783945370452)

Gebranntes Kind

(10)
Erschienen am 08.03.2024
Cover des Buches Deutscher Herbst (ISBN: 9783945370315)

Deutscher Herbst

(4)
Erschienen am 12.08.2021
Cover des Buches Schwedische Hochzeitsnacht (ISBN: 9783821862309)

Schwedische Hochzeitsnacht

(4)
Erschienen am 23.03.2010
Cover des Buches Trost (ISBN: 9783596711611)

Trost

(2)
Erschienen am 29.01.2025
Cover des Buches Gebranntes Kind (ISBN: B002SEK7R2)

Gebranntes Kind

(2)
Erschienen am 01.01.1983
Cover des Buches Der Mann, der nicht weinen wollte (ISBN: 9783379003230)

Der Mann, der nicht weinen wollte

(0)
Erschienen am 01.01.1988
Cover des Buches Gebranntes Kind. (ISBN: 9783518017951)

Gebranntes Kind.

(1)
Erschienen am 01.12.1988
Cover des Buches Deutscher Herbst '46 (ISBN: 9783814700021)

Deutscher Herbst '46

(0)
Erschienen am 01.04.1984

Neue Rezensionen zu Stig Dagerman

Cover des Buches Trost (ISBN: 9783596711611)
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Rezension zu "Trost" von Stig Dagerman

dracoma
"Ich jage Trost wie ein Jäger Wild"

„Ich selbst jage Trost wie ein Jäger Wild“ 

1951 schreibt Stig Dagermann für eine schwedische Hausfrauen-Zeitschrift einen programmatischen Artikel: „Unser Bedürfnis nach Trost ist unstillbar“.  Stig Dagermann ist damals bereits der aufgehende Stern am nordischen Literaturhimmel, der mit seinen Werken, u. a. einer Reportage über das zerstörte Deutschland, schnell bekannt wurde.

Der Titel seines Essays gibt seine grundsätzliche Haltung bereits wieder: Er ist und bleibt untröstlich. Er leidet unter Schreibblockaden, weil er sich durch seinen schnellen Erfolg unter Druck gesetzt fühlt, er sich aber andererseits nach Anerkennung sehnt. Er fühlt sich zerrissen und sieht sich bedroht von „den gierigen Mündern der Maßlosigkeit“ einerseits und der „kleinlichen Verbitterung“ der Askese andererseits, und es gelingt ihm nicht, für sich einen gangbaren Mittelweg zu finden. Er leidet am Leben, obwohl doch das Leben, wie er schreibt, ein Trost für den Tod sein könne. Die Religion bietet ihm keinen Trost. Er kann sich nur einen einzigen wirklichen Trost denken: die Erkenntnis, dass er ein freier Mensch ist, „eine in meinen Grenzen souveräne Person“. Diese innere Freiheit findet er jedoch nicht, weil er Furcht empfindet: Furcht vor dem Verlust seines Talentes und grundsätzlich Furcht vor dem Leben. Der einzige Ausweg aus seiner Trostlosigkeit und zugleich der einzige Beweis für die Freiheit des Menschen ist seiner Ansicht nach der Selbstmord.

Mit diesen Ansichten rückt er sich in die Nähe der damals populären Existenzialisten, aber er ist kein Philosoph, wie er selber sagt. Er kann die Trostlosigkeit nicht zum Programm erheben und sie in sein Leben integrieren, sondern sehnt sich zeit seines Lebens nach Tröstungen. Gelegentlich findet er sie, wenn er die Schönheit eines Augenblicks wahrnimmt. Hier gelingen ihm äußerst anrührende Sätze, die seine sprachliche Könnerschaft glänzen lassen.

Zum Nachwort von Felicitas Hoppe: Frau Hoppe hat unbestritten ihre literarischen Verdienste, aber ihr Nachwort verflacht inhaltlich und auch sprachlich die faszinierenden und selbstquälerischen Ausführungen Stig Dagermanns. Sie beendet ihre Ausführungen mit einem Selbstzitat: „Ich bin nicht glücklich und habe nicht die Absicht, es zu werden.“

Da kann ich nur sagen: Si tacuisses...


 



 

 

Cover des Buches Trost (ISBN: 9783596711611)
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Rezension zu "Trost" von Stig Dagerman

Literatursprechstunde
Sprachliebhaber*innen aufgepasst: Dieses Büchlein ist für Euch! 🤩

Warum bereiten uns Begriffe wie die Ewigkeit oder Lebenszeit Sorgen? Stig Dagerman findet mit „Trost“ tröstende Worte für den Schmerz, den uns das Leben bereitet:


„Kurz ist mein Leben nur, wenn ich es auf dem Richtblock der Zeitrechnung platziere. Begrenzt sind meine Lebensmöglichkeiten nur, wenn ich die Wörter oder Bücher zähle, die ich noch erschaffen werde, bevor ich sterbe. Aber wer bittet mich eigentlich zu zählen? Zeit ist ein falsches Maß für Leben. Zeit ist ein grundsätzlich nutzloses Messinstrument, denn es erfasst nur die Äußerlichkeiten meines Lebens.

Doch alles Wesentliche, was mir geschieht und meinem Leben seinen wunderbaren Inhalt gibt: die Begegnung mit einem geliebten Menschen, die Liebkosung der Haut, die Hilfe in der Not, der Mondschein in den Augen, der Segeltörn auf dem Meer, die Freude über ein Kind, das Schaudern angesichts von Schönheit spielt sich ganz und gar außerhalb der Zeit ab. Denn ob ich der Schönheit eine Sekunde oder hundert Jahre lang begegne, ist unerheblich.“


Zeitlebens jagte Stig Dagerman selbst dem Trost hinterher: 


„Ich selbst jage Trost wie ein Jäger Wild. Wo immer ich ihn in den Wäldern auftauchen sehe, schieße ich. Häufig treffe ich nur ins Leere, aber manchmal fällt eine Beute zu meinen Füßen. Da ich weiß, dass die Beständigkeit des Trosts so kurz ist wie die des Winds in einem Baumwipfel, eile ich, mich meines Opfers zu bemächtigen.“


Leider war seine Jagd am Ende vergeblich, denn der Schmerz, den ihm das Leben bereitete, war letztlich stärker und er beging 1954 mit nur 31 Jahren Suizid. 1923 wurde er nördlich von Uppsala/Schweden geboren und führte in seinem kurzen Leben einen beständigen Kampf gegen seine schweren Depressionen und wurde von existenziellen Krisen gebeutelt.


Schreiberisch beschäftigte er sich mit seinen persönlichen Krisen und auch seine prägenden Nachkriegserfahrungen (als Reporter) ließ er in seine Texte, Essays, Theaterstücke, Reportagen und Bücher fließen. Er wurde als Stern am Literaturhimmel gefeiert und erlangte schnell Bekanntheit. Doch er hatte nicht nur produktive Schreibphasen, stets hatte er auch mit Schreibblockaden zu kämpfen. 


Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens hadert Stig Dagerman mit Gesellschaftsnormen, wünscht sich mehr individuelle Freiheit. Er ist nicht gläubig und denkt, ihm bleibe aufgrund dessen sein persönliches Glück verwehrt. Trost zu finden sieht er nicht nur für sich selbst als immer unerreichbarer, sondern auch für die Menschheit an sich. Was für ein armer, getriebener Geist er doch war! 


Die Berliner Autorin Felicitas Hoppe erläutert und ergänzt mit Ihren Erläuterungen Stig Dagermans autobiografisches Vermächtnis, seine Gedanken und Worte. 


Sprachliebhaber*innen aufgepasst: Dieses kleine Büchlein „Trost“ von Stig Dagerman ist ein wahres Sprachjuwel! Seine destruktive Gedankenwelt und innere Zerrissenheit spiegeln sich wunderschön in seiner Sprache wider. Eine klare Leseempfehlung für alle, die den Schmerz des Lebens etwas lindern wollen, indem sie sich von der Schönheit der Sprache trösten lassen! 


Cover des Buches Gebranntes Kind (ISBN: 9783945370452)
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Rezension zu "Gebranntes Kind" von Stig Dagerman

Hyperikum
Geschichte mit Sogwirkung

Am Tag der Beerdigung von Bengts Mutter schaut er aus dem Fenster in das finstere Januarlicht. Mutter war krank. Etwas mit dem Herzen. Gegenüber in der Metzgerei war sie von einem Stuhl gefallen. Hinter ihr, einer der Metzger nahm gerade ein Lamm aus und hat es nicht gesehen.

Der Vater hat nicht geweint. Sein Arm ist hart und schwer. Vaters zwei Schwestern haben den Kaffee vorbereitet und das Wohnzimmer geschmückt. Die eine ist schön, die andere hässlich. Die schöne liebt der Vater, weil er alles liebt was schön ist. 

Nach der Arbeit schleppt Vater einen großen schwarzen Hund an, den er Hector nennt. Er hätte ihn in einer Zoohandlung gekauft, damit sie nicht so allein waren. Bengt fängt an dem Vater zu misstrauen und folgt ihm, wenn der abends mit dem Hund das Haus verlässt. Schon bald fühlt sich der Vater verfolgt und pausiert in einem Café, um sich hinter einer Zeitung zu verstecken und den Verfolger vorbeiziehen zu lassen. 

Die ganze Wohnung ist durch Mutter imprägniert. Hier ein Brief in der Schublade, dort ein Strumpf, eine Brosche. Bengt kann sich nicht mehr auf sein Studium konzentrieren. Er geht nicht mehr zur Uni, dem Vater erzählt er von anstehenden Prüfungen und wie er den Lesungen beigewohnt hat, das macht dem Vater Freude. 

Am Abend trifft Bengt seine Freundin Berit, die weint immer. Manchmal möchte er Berit mehr wehtun, als sie nur in den Oberarm zu kneifen, aber dann weint sie noch mehr. 

Fazit: Von Anfang an hat mich die Geschichte Bengts gefesselt. Wie er seine Umwelt beobachtet und die falschen Intentionen in seine Mitmenschen hineininterpretiert. Mitanzusehen, wie Bengt sich fast in einen Wahn von Reinheit hineinsteigert, schmerzt. Seine Moralvorstellungen, mit denen er sich über die Welt der Erwachsenen stellt und sich selbst betrügt. Seine obsessiven Fantasien und sein selbstzerstörerisches Verhalten erschrecken. Die ersten Seiten musste ich mich an den nüchternen Schreibstil und die kurzen Sätze ohne Nebensätze gewöhnen. Die Sprache ist hart und zeichnet eine zerstörerische Destruktion. Alles wirkt real, der Charakter des Antihelden bis in die kleinste Ecke ausgeleuchtet. Ein wenig hat mich die Geschichte an den „Fänger im Roggen“ erinnert. Diese Geschichte Stig Dagermans, der sich mit 31 das Leben nahm, erstmals veröffentlicht 1948, hat viele negative Gefühle in mir geweckt. Wahrscheinlich hätte ich diesen bemitleidenswerten Antihelden versucht zu schlagen, wenn er mir in meinem Leben begegnet wäre. Diese Geschichte mit Sogwirkung, hat nichts an Aktualität eingebüßt und sollte eigentlich als Unterrichtsmaterial an Schulen dienen. 

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