»Der ferne Regenbogen. Unvollendet«“ (S.150)
Zum Inhalt: Er liegt weit ab von so ziemlich allem, der kleine Planet mit dem hübschen Namen „Regenbogen“. Zu unbedeutend für reißerische Schlagzeilen, aber von zentralem Interesse für eine elitäre Hundertschaft an Wissenschaftlern, die sich verbissen mit dem Problem der Masse-Teleportation beschäftigen. Und dies teils seit einem halben Leben. So verwundert es nicht, wenn man über die wissenschaftlichen Fragestellungen die katastrophalen Folgen der Experimente mit ihren globalen Auswirkungen bagatellisierte oder zur Gänze leugnete. Erst als in Folge eines weiteren Hochenergetikversuches der Physiker zwei Plasmawellen den Planeten überrollen und alles Leben auszulöschen drohen beginnen die Menschen zu handeln. Ein Handeln, das nicht geprägt ist von freier Wahl zwischen Möglichkeiten, sondern jenes von Getriebenen darstellt, die Entscheidungen von existenziellen Ausmaßen für jedes einzelne Leben auf dem Planeten zu treffen haben.
Es steht nur eine Raumfähre zur Verfügung, die allein schon durch ihre Ladekapazität zur Auswahl zwingt. Wer oder was soll die Chance erhalten weiter zu bestehen: die Kinder als Garanten der Zukunft, die Ergebnisse der teils lebenslangen Forschungen, Kunstwerke als kulturelles Vermächtnis? Moralische Dilemmata, die Suche nach einem Überleben in seinem eigenen Schaffen, die drückende Last wertende Entscheidungen treffen zu müssen stellen zentrale gedankliche Labyrinthe dar durch welche die Strugatzkis ihre Leser führen. Beinahe, aber dennoch nicht gänzlich, geht dabei eines der Lieblingsthemen der wissenschaftlich-fantastischen Literatur unter: Wie empfindet ein beinahe „end-„loses, sich selbst bewusstes Wesen seinen Tod, wenn seine Wiederauferstehung bereits feststeht – eine Wiedererstehung in einer toten, vereinsamten Welt.
Fazit: Die Brüder Strugatzki stehen stets für angenehm lesbare, jedoch keinesfalls oberflächliche wissenschaftlich-fantastische Literatur, was mit diesem Kurztext ein weiteres Mal eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird. Eine breit gefächerte Palette an menschlichen Reaktionen auf ein bevorstehendes Ende – des Lebens, eines Traums, einer Liebe, einer Vision – liegen ebenso unter dem literarischen Brennglas, wie die zutiefst moralische Frage nach dem Wert von Leben an sich im Widerstreit mit dem menschlichen Drang nach Wissen. So steht der Regenbogen nicht nur namensgeben für einen geopferten Planeten, sondern auch für die Farben der Leben, für die angesichts einer untergehenden Welt die Sinnfrage allzu oft nur unzureichend beantwortet werden kann. Es ist fast ein „Nebensatz“, der den Kern dabei am treffendsten beschreibt: „An der Orgelbank lehnte ein großes Pappschild, auf dem mit ungelenken Buchstaben geschrieben stand: »Der ferne Regenbogen. Unvollendet«“ (S.150)