"Totenkalt" ist der neuste Roman des schottischen Autors Stuart MacBride und so fühlt es sich auch, wenn man beginnt, den Roman zu lesen. Man wird direkt in die Handlung geworfen und erlebt, wie die bereits gefestigten Beziehungen sind. Zudem entwickeln sich schon zu Beginn die verschiedenen Handlungsstränge, die verschiedener nicht sein könnten: Der Tod der Freundin, Ermittlungen wegen verschwundener und/oder getöteten Personen, der Streit um die Herrschaft unter den Gangstern, um nur ein paar zu nennen.
Diese beiden Punkte gehören meiner Meinung nach auch zu den Stärken dieses Thrillers. Die Beziehungen wirken menschlich und man versteht, wie diese zustande gekommen ist und auch dass sie z.B. Freunde sind. Gleichzeitig sind sie aber nicht statisch, sondern können sich auch der Situation entsprechend verändern, was man dann auch im Umgang zwischen den Betroffenen merkt. Dies hat das Buch für mich äusserst lesenswert gemacht, da dadurch auch die ruhigeren Passagen, die eher nebensächlich waren oder einen Subplot darstellten, noch immer interessant gestaltet waren. Auch die verschiedenen Handlungsstränge gaben dem Thriller eine gewisse Würze. Bei den Ermittlungen konnte man miträtseln, bei dem Streit um die Herrschaft unter Gangstern mitfiebern und in der emotionalen Entwicklung Logans mitfühlen, sodass für jeden etwas dabei sein wird.
Das Ganze wird dann noch durch den logischen Aufbau und den Stil abgerundet. So macht die Entwicklung der Ermittlungen Sinn und es entstanden keine Plotholes; der Still hingegen erfüllt seine Funktion und ist anschaulich und leicht zu lesen.

Doch bei all dem Lob gibt es auch einige Punkte, die "Totenkalt" leider nicht gut gemacht haben. So kann es für Neueinsteiger zu Beginn sehr verwirrend sein: Ein Haufen Namen werden auf einmal erwähnt und die Beziehungen sind schon in den vorherigen Bänden gefertigt worden, sodass man manchmal nicht ganz versteht, wieso zwischen zwei Personen jetzt genau eine Fehde herrscht oder was es mit einem Handlungsstrang auf sich hat, der schon in den vorherigen Bänden aufgebaut wurde. Jedoch legt sich dieses Problem, je weiter man im Buch fortgeschritten ist.
Ein weiteres Problem, das ich mit "Totenkalt" hatte, war, wie der Autor mit einigen Charakteren umgegangen ist, sobald sie verletzt waren. So ist es in diesem Buch an der Tagesordnung, dass Leute trotz Gehirnerschütterung oder gebrochenen Knochen weiterhin zur Arbeit gehen, wodurch der Thriller einiges an Realität einbüsst.
Zudem fehlt für mich persönlich die immense Spannung, die für mich in einen überragenden Thriller gehört. Das Buch war immer interessant und auch ab und zu spannend, doch war ich nicht so nervös und musste nicht so sehr mitfiebern. Beides erhoffe ich mir von einem Thriller, weil dies zeigt, dass die Spannung und auch die Bedrohung immer da ist, und ich das auch spüre.
Ausserdem muss man hier mit einer äusserst derben und obszönen Sprache rechnen. Ich konnte darüber hinweg sehen und zum Teil traf der Autor damit auch meinen Humor, doch kann es für manche Leute durchaus befremdlich wirken und den Lesespass eindämmen.

Fazit
Für mich war "Totenkalt" ein gutes, aber kein überragendes Buch. Wären die vielen Handlungsstränge und die interessanten Charakterbeziehungen nicht gewesen, sondern nur die Ermittlungen selber, so wäre dieser Thriller wahrscheinlich nur durschnittlich, wenn nicht gar schlecht, gewesen. Hat man aber schon zuvor ein Buch dieser Reihe gelesen und ist von den Charakteren überzeugt und/oder kann über die Fehler hinwegsehen, so hat man hier einen durchaus soliden Thriller vor sich; ansonsten sollte man lieber die Finger davon lassen.