Cover des Buches Angelfall - Am Ende der Welt (ISBN: 9783453319097)
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Rezension zu Angelfall - Am Ende der Welt von Susan Ee

Solides Finale

von Narr vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Solider Abschluss der Trilogie, besser als Teil 2. Gut, aber nicht herausragend.

Rezension

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Narrvor 6 Jahren
Am Ende der Welt ist der finale Band einer Trilogie. Das ist nicht nur gut zu wissen, sondern sehr wichtig. Denn damit ging mir nicht nur „Oh, danach kommt ja gar kein Band mehr.“ durch den Kopf, sondern auch „Mal schauen, wo die ganzen losen Fäden enden.“ und „Hoffentlich lässt Susan Ee keinen Handlungszweig ins Leere führen.“ Ich finde nur wenig schlimmer als ein Ende, das mich unzufrieden und frustriert zurück lässt. Also quasi jedes offene Ende, wenn es nicht herausragend gut geschrieben wurde. Das ist also die Einstellung, mit der ich das Buch begonnen habe.
Leider habe ich am Anfang viel zu lange gebraucht, um wieder in die Geschichte zu finden. Ich wusste noch ungefähr, wo der zweite Band geendet hatte, doch der Anfang – ich habe ihn vor dem Schreiben dieser Rezension noch einmal schnell überflogen – ist einfach merkwürdig geschrieben. Apropos Schreibstil: Ich kann es nicht leiden, wenn zu Beginn eines Folgebands zu viele Wiederholungen auftreten. (Deshalb verzeihe ich den schwierigen Einstieg auch, denn zumindest wurde ich dahingehend verschont.) Noch furchtbarer finde ich es aber, wenn innerhalb des Buches zu viel wiederholt wird. In Am Ende der Welt wurde nicht „nur mal kurz aufgefrischt“, was ein paar Kapitel vorher passiert war – nein, teilweise GLICHEN SICH MANCHE ABSÄTZE FAST WORTWÖRTLICH, und die FOLGTEN DANN AUCH NOCH DIREKT AUFEINANDER! Das sind eindeutig Lückenfüller; ein Mittel, um eine bestimmte Seitenanzahl zu erreichen, und das merkt man leider viel zu deutlich. Es mindert das Tempo extrem und nimmt der Handlung jegliche Spannung. Niemand will zweimal hintereinander denselben halbseitigen Absatz lesen.Dazu kommen einige Rechtschreibfehler, die durch das deutsche Korrektorat gerutscht sind. Das kann natürlich mal passieren; gerade bei solchen heiß ersehnten Titeln, bei denen die Verlage schnell fertig werden wollen, um die Leserschaft zu bedienen. Niemand ist perfekt. Solche Buchstabenverdreher oder Grammatikfehler sollten sich aber nicht so oft einschleichen, dass man als Leser gar nicht anders kann, als sie zu bemerken. Okay, ich lebe mein Leben und studiere umgeben von Wörtern und Büchern, habe also ein gewisses Radar für solche Fehler. Doch in bin überzeugt, dass auch der Otto Normalverbraucher -leser diese wahrnehmen würde. Auch das wirkt sich negativ auf das Leseerlebnis aus.Positiv am Schreibstil ist, dass er nach den anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut zu lesen ist. Die Autorin ist gut darin, durch treffende Beschreibungen und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen das dystopische Setting sehr gut darzustellen. Zum Vergleich: Obwohl Die Tribute von Panem ebenfalls in einer dystpoischen Zukunft spielten und nicht selten von Mord und Totschlag, Verwüstung, Verzweiflung und absolutem Horror die Rede war, wirkte die Szenerie auf mich irgendwie steril. Die Emotionen kamen nicht richtig durch, mir wurde das Ausmaß der Zerstörung nicht wirklich klar. Dagegen konnte ich mir beim Lesen von Am Ende der Nacht bildlich vorstellen, wie Paiges Narben oder wie blutig manche Angelegenheiten aussehen müssten. Mein Kopfkino lief auf Hochtouren. Die Verzweiflung der Menschen wurde glasklar, ebenso die kleinen hoffnungsvollen Momente. Die Städte, die in Trümmern lagen, die Flotten der Engel am Himmel, deren Schatten nicht nur für Unbehagen, sondern für Panik unter den überlebenden Menschen sorgten. Das hat Susen Ee echt drauf und gleichzeitig lässt sich dieser Stil auch noch sehr flüssig lesen. Ich bin froh, dass nicht das ganze Buch so komisch geschrieben ist wie der Anfang, denn so konnte ich die paar Kapitel schnell verdrängen.
Sehr gut gefiel mir auch die Entwicklung der Charaktere. Besonders Paige und ihre Mum sind mit den schrägen Vögeln aus dem ersten Band Nacht ohne Morgen kaum noch zu vergleichen und lassen es jetzt, in Ermangelung einer treffenderen Formulierung, so richtig krachen. Die Zwillinge Dei und Dum sind ja sowieso meine Lieblingscharaktere in der ganzen Reihe, das ändert sich auch mit diesem finalen Band nicht. Die zwei Scherzkekse erinnern mich sehr an die Weasley-Zwillinge aus Harry Potter, indem sie in der dystopischen Szenerie ein bisschen Freude verbreiten und ihren Schabernack treiben. Das lockert die düstere Stimmung des Buches an genau den richtigen Stellen auf und gibt nicht nur den Figuren, sondern auch mir als Leser einen kurzen Moment zum Durchatmen. Zwiegespalten bin ich bei der Beziehung zwischen Penryn und Raphael „Raffe“. Einerseits finde ich es schön, dass sich endlich etwas tut und sie nicht nur umeinander herumscharwenzeln (Ich habe extra noch mal in den DUDEN geschaut, das Wort gibt es, ehrlich!), ohne einander auch mal wirklich in die Augen zu sehen. Andererseits geht gerade die Welt unter, es herrscht Krieg zwischen Menschen und Engeln – ENGELN! – und eigentlich schlägt jeder jedem den Schädel ein (metaphorisch – na ja, meistens) und die beiden haben keine größeren Sorgen als „er mag mich, er mag mich nicht, er mag mich, …“ beziehungsweise „wie kann ich sie mir vom Leib halten, ich darf nicht, nein, reiß dich verdammt noch mal zusammen, Erzengel“? Also bitte. Natürlich gönne ich jedem sein Glück, aber dieses Hin und Her, wenn doch eigentlich klar ist, wie es ausgehen muss, nervt irgendwann gewaltig. Deshalb fand ich es sehr angenehm, als, wie der Klappentext es formuliert, „Raffe von seiner Vergangenheit eingeholt wird“. Denn das sorgt dafür, dass sich ihre Wege vorerst trennen. Einzeln finde ich das Menschenmädchen und den Erzengel wesentlich erträglicher, um ehrlich zu sein.
Ein Highlight war für mich, was für die Handlung zwar von Bedeutung ist, aber nicht wirklich im Fokus liegt. [Anfang Spoiler] In den beiden vorausgehenden Bänden steht Beliel als der Böse da und zu Beginn von Am Ende der Welt ist er scheinbar DAS große Böse, das besiegt werden muss, wenn man von Uriel absieht. Er ist ein Dämon, er hat Raffe seine Flügel gestohlen, er scheint die Niederträchtigkeit in Person zu sein und man muss ihn bekämpfen. Hier wird nun aber erklärt, warum und wie er zu der Person wurde, die er ist, und dass Raffe nicht ganz unschuldig daran ist, ebenso Penryn. Auf einmal ist Beliel kein gesichtsloser Bösewicht mehr, sondern eine Person, die ich als Leser verstehen konnte – und verstanden habe. Dieser Punkt ist sehr wichtig für mich, denn er zeigt, dass nicht nur schwarz-weiß, gut-böse gedacht wird, sondern eben in Graustufen. Jemand kann im Moment böses tun, aber wer weiß schon, was in seiner Vergangenheit geschah? Für die Handlung von Angelfall ist Beliels Geschichte nur ein Detail, aber für mich ist dieses Detail unheimlich wichtig. [Ende Spoiler]
Erwähnenswert finde ich auch das Ende. Es gibt zwar ein paar logische Fehler – oder ich habe die entsprechenden Erklärungen übersehen -, grundsätzlich erfüllte es aber meine Erwartungen. Nicht alle losen Fäden, die ich eingangs erwähnt habe, wurden an ihr Ende geführt, aber man ist diesem Ende nahe genug gekommen, um vermuten zu können, wie diese einzelnen Geschichten ausgehen werden. Mehr erwarte ich gar nicht.
Am Ende der Welt ist das Angelfall-Finale, es wird keine weiteren Bücher geben. (Oder es gibt ein Spin-Off, von dem ich nichts weiß.) Es war schön, Penryn und Raffe durch ihr Abenteuer begleitet zu haben, aber ich bedauere nicht, dass die gemeinsame Zeit mit ihnen hier endet. Stattdessen freue ich mich, dass ich jetzt den Kopf frei habe für neue Abenteuer und neue Helden. Angelfall wird in meinem Regal stehen und wenn ich Lust habe, die Apokalypse zu wiederholen, kann ich jederzeit zugreifen. Für den Moment jedoch verabschiede ich mich vom Widerstand und den wenigen Engeln, die ich liebgewonnen habe. Macht’s gut!
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