Rezension zu "Die Königin der Orchard Street" von Susan Jane Gilman
Man schreibt das Jahr 1913, als die kleine Malka mit ihren Eltern und Geschwistern, wie abertausende andere Neueinwanderer, im gelobten Land Amerika ankommt, mit dem Gepäck voller hoffnungsfroher Erwartungen und schon bald vom beschwerlichen und tristen Alltag in der New Yorker Lower East Side eingeholt wird.
Malka verliert durch gewissen Umstände ihre komplette Familie aus den Augen und wächst bei italienischen Einwandern auf, konvertiert zum katholischen Glauben, nimmt einen neuen Namen an und lernt das Handwerk der Eisherstellung kennen. In ihrem weiteren Lebenslauf heiratet sie einen atemberaubend schönen Mann, mit dem sie zusammen nach und nach ein Eiskrem-Imperium aufbaut ..
Ein episch angelegter Roman, der eine fiktive Frauengestalt von ihrer frühen Kindheit bis in ihr spätes Alter begleitet. „Vom Tellerwäscher um Millionär“ oder vom „Verkrüppelten kleinen Mädchen mit jüdischen Wurzeln zur Eiskönigin von Amerika“.... Das ist die große Vorgabe des Handlungsverlaufes. Doch in den hunderten Seiten steckt auch so manches historische Detail, Weisheiten über das Leben, die Liebe und Freundschaft und einfach das Eintauchen in eine anderes Dasein zu einer anderen Zeit. Die Beschwernisse der Einwanderergeneration zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Amerika kamen schon in so manchen Büchern und Filmen zur Sprache. Hier ist aber nochmals eine andere Perspektive im Fokus, eine besondere Mischung eben mit der Kunst der Eiszubereitung.
Die Ich-Erzählerin ist im fortschreitenden Erzählverlauf auch zunehmend skrupellos und berechnend, doch da man ihre Vergangenheit kennt, ist man bereit, doch eine gewisse Nachsicht zu üben, auch hinsichtlich ihres zunehmenden Alkoholkonsums. Die Geschichte wirkt auf mich glaubwürdig und nachvollziehbar, sie ist spannend erzählt, mit den bei über 500 Seiten Buchumfang nicht zu vermeidenden kleineren Längen. Dass trotz so mancher Schicksalsschläge letztendlich Fortuna über dem Leben von Vivian alias Malka wacht, ist dann doch ein kleines Zugeständnis an die Fiktionalität der Erzählung.
Die Zeitsprünge in der Erzähl-Linie lockern auf, ohne zu verwirren. Gerade die Geschichte der kleinen Malka hat mich gefesselt; gegen Ende des Buches hin blieb es für mich persönlich nicht mehr auf dem Niveau spannend. Bemerkenswert bleibt dann noch, dass Vivian die Liebe in ihrem Leben beständig hinterfragt und angezweifelt hat – und das mitunter aus guten Grund und erst als es quasi zu spät ist feststellt, dass sie etwas verloren hat, was sie gar nicht in seiner Fülle zugelassen hat.
Einige Fragen bleiben offen, vielleicht auch ganz bewusst? Was passierte zum Beispiel mit der Mutter von Malka?
Hilfreich empfand ich das beiliegende Buchzeichen mit einem kleinen Vokabular der Lower East Side, auf dem die meisten im Buch wiederkehrenden jiddische Begriff übersetzt werden.
Fazit: „Verklagt mich doch“, mir hat das Buch ziemlich gut gefallen.