Cover des Buches Das Phantom (ISBN: 9783453063556)
Rezension zu Das Phantom von Susan Kay

"Das Phantom" der Oper - ein Leben voller Schmerz, Verzweiflung und Hass

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren

Im Jahr 1831 wird in Frankreich, genauer in Bocherville, ein Junge geboren, den ein großes Schicksal ereilen würde. Mit den Zügen eines Genies macht er seiner Mutter das Öeben zur Hölle – und nicht nur das. Seit seiner Geburt ist Erik schwer entstellt, sodass er von Geburt an eine Maske tragen muss. Noch im Kindesalter flieht er von zu Hause aus Angst, in eine Anstalt zu geraten, wie der neue Freund seiner Mutter es gerne hätte, doch mit dieser Flucht gerät er in Gefangenschaft bei Zigeunern, deren “Anführer” in ihm eine potentiell großartige Geldquelle sieht. Doch auch aus diesen Fängen kann Erik sich befreien und macht gleichsam seine ersten Erfahrungen mit Mord. Jahr um Jahr zieht er in der Gegend herum, wird Lehrling eines großen Bauherren in Italien, der Bespaßer der Khanum in Persien und letztendlich Mitbauer der neuen Oper in Paris, wo er letztendlich sein Leben zurückgezogen verbringt, bis etwas Unvorhergesehenes Gefühle in ihm auslöst. Gefühle, von denen er dachte, dass sie ihn für immer verlassen hätten.

Das Phantom der Oper ist ein Mysterium, das mich – seit ich das Musical kenne – eigentlich ungemein fasziniert. Dass es sich bei diesem Menschen um ein wahrhaftiges Geschöpf handelt, das vor vielen Jahren tatsächlich gelebt haben soll, das fand ich noch beeindruckender, und so war diese Lektüre natürlich beinahe Pflicht, um mich mit dem Leben eines Mannes auseinanderzusetzen, der zu solchen Dingen fähig war und der voller Verbitterung und Hass steckte.

Das Buch ist schonmal sehr interessant aufgebaut. Es gibt mehrere Abschnitte, die aus der Sicht verschiedener Menschen geschildert sind, beginnend bei seiner Mutter. Immer wieder taucht auch seine Sicht der Dinge auf, doch meistens wird die Perspektive eines Menschen gewählt, der viel mit ihm zu tun hat und deswegen auch viele Informationen und auch Empfindungen ihm gegenüber aufweisen kann, so zum Beispiel der persische Oberpolizist Nadir oder der italienische Baumeister Giovanni, der für Erik in gewissen Stücken wie ein Vater gewesen sein soll. Zu den Abschnitten sind zusätzlich die Jahreszahlen angegeben, in welchen Zeitraum sich die darin enthaltenen Kapitel abspielen, was sehr zum Verständnis beiträgt.

Allerdings sind meiner Meinung nach diese Zahlen nicht ausreichend, um einen genauen Blick auf beispielsweise das Alter Eriks zu haben. Teilweise hat mir diese Angabe einfach gefehlt, um die Fassungslosigkeit und Überraschung der Beteiligten nachvollziehen zu können. Teilweise denkt man, man hat es mit dem erwachsenen Erik zu tun, dabei ist er noch 12. Dass er am Ende bereits über 50 ist, ist dann klarer, doch gerade in den Anfangszeiten hab ich mich da wirklich schwer getan, was schon ziemlich schade ist.

Ansonsten ist die Geschichte wirklich abwechslungsreich, wobei die packendsten Teile Anfang und Ende sind, also demnach das Leben bei seiner Mutter und das Leben mit Christine, sei es körperlich oder nur über den Spiegel. Die Teile dazwischen sind häufig durchwachsen, ziehen sich immer wieder künstlich in die Länge und sind nicht immer sehr leicht zu fassen irgendwie, was wahrscheinlich auch mit dem fehlenden Altersüberblick zu tun haben kann. Das liegt nicht am Inhalt, der ist nämlich, wie bereits gesagt, sehr abwechslungsreich und durchaus interessant. Dass ein Mensch so viel Leid erfahren muss, ausgenutzt wird und dadurch eigentlich nie zur Ruhe findet, das finde ich schon traurig.

Sprachlich ist es allerdings so eine Sache. Irgendwie. Schlecht war sie nicht. Man kam eigentlich mit, teilweise war der Ausdruck ein bisschen ungeschickt, aber im Großen und Ganzen ist es eigentlich in Ordnung gewesen. Und doch war irgendwas daran, an dem ich mich immer wieder aufgehongen habe und an dem ich einfach nicht vorbeigekommen bin. Immer wieder habe ich stocken müssen, weil irgendwas seltsam war oder ich einfach abgeschweift bin…

Die Charaktergestaltung dagegen war spitzenklasse. Gerade dadurch, dass man Eindrücke von verschiedenen Beteiligten hatte, konnte man eigentlich in jeden hineinsehen und sich seiner Gefühle gewiss sein. So waren die Personen tief gestaltet und man konnte sich wirklich in sie hineinversetzen. Nur manchmal waren sie ein bisschen undeutlich oder zaghaft in ihren Erzählungen, sodass ich manchmal Fragen hatte, die ich erst viele viele Seiten später beantwortet wissen konnte – sowas macht mich irre!

Schön fand ich vor allem, dass die Geschichte über Eriks Leben hinausgewachsen ist, also dass Raoul praktisch noch von seinem Leben nach der Katastrophe erzählt. Wie alles weitergegangen ist, nachdem Christine und er das letzte Mal das Phantom verlassen und ihr eigenes Leben angefangen haben. Wie sie ihr Kind geboren hat und letztendlich starb. Und was das Besondere an dem Kind ist. Ich mag es einfach, wenn ein Roman nicht einfach aufhört und man nicht weiß, was aus den Beteiligten geworden ist, deswegen war das für mich schonmal wirklich entspannend und hat mir Spaß gemacht.

Ein interessantes Buch, das leider aber auch einige Schwächen vorzuweisen hat, die nicht so ganz von der Kante zu weisen sind. Der Schreibstil ist nicht so besonders und manche Unklarheiten hätten meiner Meinung nach früher beseitigt werden können, aber der Inhalt ist auf jeden Fall besonders. Es macht Spaß, die Einflüsse eines Mannes zu verfolgen, der nie normal mit anderen umgehen konnte – und mit dem nie normal umgegangen wurde. Die Missstände und Probleme, die sich in seinem Leben ergeben haben und schlussendlich eine Liebe, die er nicht erfüllt wähnte. Auch wenn ich mich mit dem Buch ein bisschen schwer getan habe, so ist es doch irgendwo lesenswert. Man darf sich nur nicht davon abschrecken lassen und nicht zu viel erwarten, dann ist es sicher ein Buch, an dem man Freude haben kann. Für Zwischendurch ist es allerdings nichts.

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