Cover des Buches Elefanten sieht man nicht (ISBN: 9783551582461)
Moenas avatar
Rezension zu Elefanten sieht man nicht von Susan Kreller

Über den Elefanten, den niemand sehen will

von Moena vor 10 Jahren

Rezension

Moenas avatar
Moenavor 10 Jahren

»Elefanten sieht man nicht« ist eines dieser Bücher, die mir beim Lesen eine Gänsehaut bereiten, die noch lange über die letzte Seite hinaus anhält. Susan Kreller erzählt eine Geschichte, über die man nur den Kopf schütteln möchte – und die so in diesem Moment direkt nebenan passieren könnte.

Die Siedlung, in der Maschas Großeltern leben, ist klein, beschaulich und idyllisch. Jeder kennt jeden, jeder weiß alles über jeden – aber manche Dinge spricht man lieber nicht an. Alles, was die Nachbarschaftsidylle aus gepflegten Vorgärten und gemeinsamen Grillfeiern stören könnte, wird ausgeblendet oder schöngeredet. Damit nimmt sich der Roman eines immer wieder aktuellen Themas an. So oft wird in den Medien von Kindern berichtet, die von ihren Eltern schlecht behandelt oder gequält werden, aber von den Nachbarn, die Tür an Tür mit den betreffenden Familien wohnen, will angeblich niemand etwas mitbekommen haben.

Dieses Verhalten der Erwachsenen muss auch Mascha erleben. Ihre eigene Großmutter spielt alles, was Mascha an Julia und Max beobachtet, herunter und will über das Thema am liebsten gar nichts hören. Sie erklärt Mascha sogar, dass sie sich am besten aus den Angelegenheiten der Brandners heraushalten soll. Auch Maschas Großvater ist keine große Hilfe. Dabei scheint ihm das Schicksal der Kinder gar nicht so egal zu sein, auch wenn er die meiste Zeit dazu schweigt. Da aber von den anderen niemand etwas tut, unternimmt auch er nichts. Nur Mascha ist anders. Sie kann das Unrecht, dass Julia und Max geschieht, nicht einfach so mit ansehen oder absichtlich übersehen. Sie will nichts anderes, als den Geschwistern zu helfen – und wird dafür von den anderen verachtet.

Mascha ist dreizehn, hat früh ihre Mutter verloren und ihr Vater versinkt in seiner Trauer, weshalb er sie im Sommer zu ihren Großeltern abschiebt. Damit ist es für alle am einfachsten, Mascha als impulsiven und unüberlegt handelnden Teenager abzustempeln, als Ruhestörer in der sonst so sauberen Nachbarschaft. Und dass Mascha den Geschwistern versprechen musste, mit niemandem über ihr Geheimnis zu reden, macht die Situation auch nicht einfacher.

Beim Lesen war ich hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, Mascha in Schutz zu nehmen, und dem Drang sie zu schütteln, weil das, was sie tut, keine Lösung sein kann. Ich hoffte die ganze Zeit, dass sie zur Vernunft kommen würde, und stellte mir gleichzeitig die Frage: Was hätte sie sonst tun sollen, wenn ihr niemand zuhören will?
Die Reaktionen der Erwachsenen machten mich genauso wütend wie Mascha, die den Leser als Ich-Erzählerin ihre Gedankengänge miterleben lässt. Sie erzählt in einem einfachen, für eine Dreizehnjährige sehr authentischen Stil und handelt aus dem Bauch heraus. In ihrer Naivität glaubt sie das Richtige zu tun und obwohl man als Leser nur entsetzt den Kopf darüber schütteln kann, muss man ihr doch auch eine ganze Menge Respekt zollen. Immerhin lässt sie sich nicht, wie beispielsweise ihr Großvater, vom Nichtstun der anderen beeinflussen.

Fazit

»Elefanten sieht man nicht« erzählt eine bedrückende Geschichte über den Elefanten im Raum, den niemand sehen will, und über den Mut, etwas zu unternehmen, wenn es sonst keiner tut. Das Ende des Romans lässt den Ausgang der Geschichte offen, aber die Botschaft ist deutlich: Wenn sich – aus Angst, Bequemlichkeit oder Scham – niemand traut, das Richtige zu tun, ist es manchmal besser, etwas Falsches zu tun, als gar nichts.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks