Rezension zu "Das Geschlechter-Paradox" von Susan Pinker
Bücher, die im Untertitel damit werben, etwas Wahres zu bieten, lese ich immer mit etwas angespannter kritischer Aufmerksamkeit. An welcher Stelle kann ich die Autorin dabei ertappen, dass sie mir keine geprüfte Wahrheit, sondern ein Klischee bietet, das mich nur gähnen lässt? Aber susan pinker ist vorsichtig. Auf beinahe 100 Seiten erstrecken sich ihre Anmerkungen, Literatur- und Quellennachweise. Ich erfahre von Untersuchungen und Statistiken, die ihre Argumentationen belegen. Natürlich schlage ich nicht jede Anmerkung im Lesefluss nach. Trotzdem, meine Voreingenommenheit sinkt und ich ahne, dass hier vielleicht der Verlag seine Finger im Spiel hatte, um mit einem reißerischen Titel das Buch im Verkauf anzustubsen. Susan Pinker hat im Vorfeld eine Menge Menschen besucht, um sich ihre Geschichten erzählen zu lassen. Sie trifft "extreme" Menschen. Männer, die während ihrer gesamten Kinder- und Jugendzeit auffällig und unangepasst waren und doch gerade mit diesen Persönlichkeitseigenschaften später beruflichen Erfolg hatten. Frauen mit hervorragenden beruflichen Abschlüssen und in hohen Positionen, die sich aber irgendwann beruflich neu orientieren, weil sie qualitative Zeit für ihre Familie gewinnen wollen und andere Lebensziele als einen möglichst hohen Verdienst anstreben. Doch alles wieder nur Klischees? Susan Pinkers Buch birgt viele neurowissenschaftliche Argumente. Sie geht zögerliche damit um, wie das soziale Umfeld die Geschlechterwahrnehmung prägt. Der alte Streit: Was ist genetisch angelegt, was ist geprägt? Die Autorin nimmt vor allem diesen Unterschied wahr: Auch wenn beiden Geschlechtern die gleichen beruflichen Möglichkeiten geboten werden, wollen Männer und Frauen nicht automatisch das Gleiche. Warum? Die Antworten, die sie gibt, zielen in die biologische Richtung. Immer wieder aber betont Susan Pinker, und das macht sie mir sympathisch, wie groß die Abweichungen innerhalb einer durchschnittlichen geschlechtlichen Norm sein können. Entscheidungen, die prototypisch fallen, sind weder für den Mann noch für die Frau die einzig richtige Entscheidung in ihrem Geschlechterverhalten. Susan Pinker: "Die Zahlen und Fakten offenbaren vielmehr, dass es bei menschlichen Entscheidungen eine Handvoll unterschiedlicher Katalysatoren gibt, von denen viele neurologische oder hormonelle Ursachen haben, während andere bestimmte Arbeitsbedingungen widerspiegeln, die auf den männlichen Standard zugeschnitten sind. Die Mischung dieser Katalysatoren erzeugt den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen."