*Eine Stille, in der die Schritte und das unablässige Klingeln der Schellen und Glöckchen die einzigen Geräusche sind, die auch noch wochenlang nach der Wanderschaft in meinem Kopf klingeln. Eine Stille, so kraftvoll, dass sie die Panzer, die man sich in der Alltagshetze angelegt hat, aufzubrechen in der Lage ist.*
Die Familie Alarcón führt als Schäfer ihre Herde zwei mal im Jahr durch die Sierra von Castril, Segura und Cazoria. Acht Tage lang geht es von den Sommer- zu den Winterweiden und wieder zurück. Eine Reise, die nicht nur sechshundert Schafe zu den besten Weideplätzen führt, sondern auch eine jahrhundertealte Tradition weiterführt. Begleitet werden sie von der Fotografin Susana Girón, die durch ihre Bilder diese Transhumanz dokumentiert und in diesem Buch an die Leser bringt.
Eingestimmt durch eine Einleitung der Fotografin übernimmt Michael Stührenberg die Einführung. Seine Reportage beschreibt eine der Wanderungen, stellt die Familie Alarcón vor und lässt bereits die passende Stimmung für die Fotografien aufkommen. Dabei bekommt der Leser gleich noch den geschichtlichen Hintergrund und die passenden Erklärungen zu den Bildern mit. Die Trennung des Textes und der Fotos kam bei mir sehr gut an. Dadurch konnte ich mich jeweils auf das Wesentliche konzentrieren, bekam die Informationen bereits im Voraus und ließ danach die Bilder auf mich wirken.
Susana Girón setzt sich zum Ziel in ihren Aufnahmen das Alltägliche und Einfache einzufangen und in ihm das Besondere zu finden. Durch das Begleiten der Wanderung hat sie die Beziehung zwischen den Tieren und den Wanderhirten gesehen und diese auch in ihren Bildern dargestellt. Ihr künstlerischer Blick spiegelt sich in den Fotografien. Nur einige von ihnen entsprechen den beeindruckenden Landschaftsbildern des Covers. Viele andere zeigen weniger die Idylle, sondern die reale Situation wie die Herde und ihre Hüter in unwirtlichem Wetter. Andere stehen als Symbol für die Wanderung – ob Hirtenstock oder Lagerfeuer, ob Schattenwurf des Reiters oder eine zahllos scheinende Collage an Tierbeinen, der Blick der Künstlerin ist in allen Fotografien zu sehen. Wichtig war der Fotografin aber auch die Rolle der Familie darzustellen. So finden sich auch Bilder von ihnen und den Gegenständen, die für die Wanderung mit all ihren Strapazen stehen.
Ich kannte die Transhumanz bisher nur im lokalen Zusammenhang und wusste nicht, dass sich Schafszüge auch in anderen Teilen Europas finden lassen. Die Reportage zu Beginn hat die besondere Stimmung bei mir ausgelöst unter deren Einfluss die Bilder eine weitere Bedeutung bekamen.
Fazit: Die Fotografin hat wirklich einen besonderen Blick auf das einfache und das Außergewöhnliche. Mich hat das Buch über den Tellerrand hinausblicken lassen, worüber ich froh bin.