Wenn man diesen Ratgeber liest, dann kann man ganz nebenbei auch eine Ahnung bekommen, warum sich so viele Menschen ausgebrannt fühlen. Der Tag ist durchgeplant. Und weil wir eigentlich für nichts mehr Zeit haben oder uns das vielleicht auch nur einbilden, aber gleichzeitig "etwas für unseren Körper tun wollen", schieben wir einfach ein paar kleine Leibesübungen ein. Alles auf einmal, mittendrin und zwischendurch.
Man kann diese Kleinigkeiten nach Meinung der Autorin bereits im Bett beginnen, in Bus und Bahn fortsetzen, im Büro durchführen, beim Fernsehen probieren oder auch beim Buchlesen. Vielleicht schmücken wir auch den Beischlaf noch mit ein paar kleinen Übungen für die Beckenbodenmuskulatur der Dame und die Gesäßmuskulatur des Herrn. Und statt der Zigarette danach fügen wir noch ein paar Affirmationen an. Das ist eh gesünder. Und es merkt keiner. Ist das nicht cool?
Apropos cool: Der Zeitgeist weht recht heftig durch diese Broschüre. Nicht nur, dass sie aufgeregt geschrieben und mit überflüssigen Informationen überfrachtet wurde - sie zeigt auch, wie man seine Muttersprache verhunzen kann. Das ganze Programm heißt TWO-in-ONE oder TWONE, weil man diese Übungen angeblich für andere unbemerkt nebenbei machen kann. Was allerdings ein ziemlicher Schmarren ist, wenn man es genau betrachtet.
Die Idee ist eigentlich hervorragend, wenn auch nicht neu. Man kann in Pausen oder beim Warten kleinere Anspannungs- und Dehnübungen für bestimmte Muskelgruppen durchführen. In diesem Büchlein findet man zahlreiche Vorschläge dafür. Doch das hat alles nur einen Effekt, wenn man zur Ruhe kommt und nicht versucht, hastig auch noch das letzte bisschen Nichtstun durch hektisches Treiben zu ersetzen. Und natürlich erreicht man viel mehr, wenn man vier- bis fünfmal pro Woche abends für eine halbe Stunde wirklich intensiv und nicht mal so ein bisschen nebenbei trainiert.
Bei den hier vorgestellten Übungen kommt man nämlich höchst selten ins Schwitzen und hat meistens seine Geschäftsklamotten an. Die Autorin beginnt mit der Beschreibung einer Gehweise, in der die Bauch-, Gesäß-, Oberschenkel- und Beckenbodenmuskulatur angespannt werden. Dann folgen Übungen, die man im Bett ausführen kann ("Slepping TWONCES", was uns rein sprachlich vielleicht ein wenig verwirrt) und solche, die man stehend durchführt ("Energetic TWONCES").
Wenn wir dann im Büro erschienen sind kommen wir zu den "Office TWONCES". Zusätzlich lernen wir noch die "3 x 7 TWONCES" für den Überallgebrauch und "Auto-TWONCES" und "Fernseh-TWONCES". (Man beachte die Bindestriche aus dem Originaltext. Warum eigentlich nicht Car TWONCES und TV TWONCES?) Schließlich kommen wir noch zu Waiting TWONCES und Active TWONCES, unterteilt in Active legs und Active arms.
Die meisten dieser Übungen sind nur verbal beschrieben. Deshalb dauert es gelegentlich eine Weile, bis man sie begriffen hat und ausführen kann. Und natürlich fällt es anderen auf, wenn man sich auf diese Weise beschäftigt. Man kann sie auch nicht neben einer Tätigkeit ausführen, sondern muss sie ruhig und entspannt durchziehen. Es dient auch nicht unbedingt der geistigen Gesundheit, wenn man ein Buch liest oder einen Film sieht und dabei an etwas anderes denkt oder eine Körperübung macht. Wenn man nicht bei der Sache bleibt, verliert man die Konzentration und büßt den Effekt der Übung ganz wesentlich ein. Jemand, der mit Affirmationen arbeit, wie die Autorin, sollte das eigentlich wissen.
Entkleidet man den Text jedoch von seiner Aufgeregtheit, den sprachlichen Ungenauigkeiten und sonstigen Modeerscheinungen, dann bleibt eine sehr gute Übungsanleitung für Pausen und Wartezeiten. Dabei geht es um Anspannungs- (also Kräftigungs-) und Dehnungsprozesse für verschiedene Muskelgruppen.
Hätte sich die Autorin aufs Wesentliche beschränkt, sich präziser ausgedrückt und dem Leser besser über die Schwierigkeiten geholfen, die garantiert bei der Übungsrealisierung auftreten werden, dann wäre ein wirklich hervorragendes Buch entstanden.
Aus eigener Erfahrung weiß ich beispielsweise, dass die meisten Menschen mit der Anweisung "Aktivieren Sie Ihre Beckenbodenmuskulatur!" rein gar nichts anfangen können, weil sie erstens nicht wissen, dass sie eine solche Muskulatur haben, zweitens deshalb nicht definieren können, wo sie denn nun eigentlich genau sitzt und drittens schon gar nicht begreifen, wie man sie aktiviert. Unter dem unverständlichen "Aktivieren" versteht die Autorin übrigens "Anspannen".
Womit ein weiteres Problem in Sichtweite kommt. Untrainierte Menschen haben Schwierigkeiten, mit angespannter Muskulatur entspannt zu atmen oder sich gar zu bewegen. Darauf geht die Autorin zwar ein, jedoch nur sehr kurz. Dafür kommen dann aber solch überflüssige und irreführende Dinge wie der BMI zur Sprache. Und natürlich wird ständig betont, wie toll TWONCES doch ist. Statt sich solchen Nebenschauplätzen zu widmen, wäre eine Konzentration auf die präzise Darstellung der einzelnen Übungen viel vorteilhafter gewesen, womit sich der Kreis schließt, denn nebenbei und zwischendurch kommt man eher selten zu guten Resultaten.
Fazit.
Nimmt man nur die Übungen und führt sie konzentriert durch, dann haben sie den beschriebenen Nutzen. Die Darstellung in diesem Buch ist allerdings suboptimal. Die Sterne gibt es für die Idee und die Zusammenstellung der Übungen.