Wir leben im Zeitalter der Selbstoptimierung! Jede Enttäuschung verkaufen wir uns selbst als Lernerfolg, statt Genuss steht Entbehrung auf dem Speiseplan. Und kaum jemand würde eine Entscheidung treffen, ohne vorher einen Coach, Psychologen oder sonstwie-Experten konsultiert zu haben. Seien wir doch ehrlich, so sieht es aus, mein persönliches Lieblingsbeispiel: branchenfremde Businessberater!!! Wer fragt denn heute noch die beste Freundin, als einzige (und vielleicht ehrlichste) Ratgeberin, oder noch besser: entscheidet Dinge einfach so, ganz alleine?!
Susanne Berkenhegers "Ist bestimmt was psychologisches" hab ich regelrecht verschlungen. Ich hab mich darin wiedergefunden, während ich schmunzelte, kicherte, Tränen lachte oder ein ertapptes Gesicht zog (den kenn ich auch, das Buch, die Methode, jaja). Für fast jede Theorie gibt es auch eine Antithese - wem soll man da noch glauben und trauen?
Wer hat sich nicht schon gefragt, ob und warum er die Nase voll hat, wenn er mit geröteter Nase rumschniefte? Wer käme auf die schnöde Idee, verschnupfte Angehörige, Kollegen oder andere Bahnfahrende dafür verantwortlich zu machen, ihre Bazillen in unsere Richtung geschleudert zu haben? Nein, die Ursache muss in uns zu finden sein! Herrlich, die Kapitel "Extrem hungrig einkaufen gehen OHNE Psychologie", "Daddeln OHNE Psychologie" und "Zum Coach gehen OHNE Psychologie". Um nur ein paar meiner persönlichen Highlights zu nennen. Ich mag es auch zu beobachten, wie Susanne Berkenheger Fortschritte macht, anfangs schafft sie kaum einen Schritt ohne, am Schluss bewältigt sie eine Party ohne Psychologie, also fast, jedenfalls kommt sie unbeschadet aus einer nervigen Raucherdiskussion raus und entert stattdessen lieber lässig die Tanzfläche. Ich nehme es ihr ab!
Meine Lieblingszitate:
"Gute Jobs verstecken sich nicht in einem selbst, sondern irgendwo da draußen - in der Arbeitswelt." (S. 156)
"Man streitet nicht, um innerlich an den Konflikten zu wachsen, sondern um das abzustellen, was einen nervt. Egal wie!" (S. 202)
Das Buch erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit, es will unterhalten, und das tat es bei mir. Es eignet sich nicht für Menschen, die ernsthafte Probleme haben und kompetente Hilfe benötigen - aber ich denke nicht, dass diese sich durch das Buch angesprochen fühlen würden.
Es spricht für mich sehr klar die Menschen an, die den "ich optimiere mich selbst"-Wahn satt haben und nach dem Aus-Knopf für höchst raffinierte Psychofallen suchen. Ich würde das Buch gern all den Menschen in meiner Umgebung empfehlen, die sich an "positive thinking" und positiven Affirmationen festbeißen, während sie von einer Katastrophe in die nächste stolpern. Manchmal ist der Hundehaufen vor der Tür eben kein Wink des Schicksals, sondern einfach nur ein stinkender Haufen, den jemand wegmachen muss!