Eines gleich vorweg:
Die Karte des Piri Re’is ist in manchen Kreisen als Mythos wohl gut bekannt und sorgt für einiges an Gesprächsstoff und Verwirrung – mit diesen Mythen hat das hier beschriebene Buch sehr wenig bis gar nichts zu tun. Weltverschwörungsanhänger oder solche die glauben, die Karte des Piri Re’is wäre aus einem UFO fotografiert, sei gesagt, dass dieses Buch nicht den Mythos um die Karte beschreibt oder gar erweitert, sondern mit wissenschaftlichem Vorgehen die tatsächlichen Hintergründe der Karte untersucht.
Susanne Billig hat auf Grund von Untersuchungen Fuat Sezgins, Professor für Geschichte der Naturwissenschaften, ein Buch geschaffen, welches nur wenig Spielraum für oben genannte Mythen lässt. Akribisch werden die Errungenschaften der arabisch-islamischen Welt und deren Einfluss auf den Westen dargestellt und erläutert.
Um die Herkunft der im Titel genannten Karte zu hinterfragen, wird bis zurück ins neunte Jahrhundert gegangen und Astronomie, Nautik, Geografie und Kartografie der arabischen Raumes erläutert. Die Autorin greift hier ausschließlich auf die Forschungsergebnisse von Fuat Sezgin zurück und versucht chronologisch-sachlich die Vorgeschichte zur Karte und die Entdeckung Amerikas mithilfe dieser und weiterer Karten zu erklären.
Leider sind die Charakteristiken einzelner astronomischer und nautischer Gerätschaften zwar technisch beschrieben, jedoch sind die Bezüge zu den Bildern nicht gegeben. Somit wird es für technisch unversierte Leser unmöglich, die tatsächlichen Funktionsweisen der einzelnen Hilfsmittel der Astronomie oder Nautik zu durchschauen. Hinzu kommt, dass hier sehr wissenschaftlich vorgegangen wird und der Werdegang der arabisch-islamischen Wissenschaft im westlichen Raum einer Aufzählung von Fakten gleichkommt, was den Lesefluss jedoch sehr hemmt.
Auch stellt sich im Laufe des Buches heraus, dass der Zusammenhang der Karte und der wissenschaftlichen Erkenntnisse eher auf Indizien beruhen als auf tatsächliche Fakten – was die Arbeit des Herrn Fuat Sezgin oder Susanne Billigs auf keinen Fall schmälern soll.
Definitiv klar nach dieser Lektüre ist, dass die Karte durch Menschenhand entstanden ist und sämtliche Mythen zur Karte Unfug sind. Definitiv klar ist auch, dass dieses Buch weitere Fragen aufwirft – vor allem, was den Umgang der westlichen, angeblich so sehr aufgeklärten Welt mit der Geschichtsschreibung betrifft. Aber auch hier gilt wie so oft, „Die Geschichte schreiben die Sieger“.
Fazit:
Wenn es auch passagenweise schwierig zu lesen ist, es immer wieder Wiederholungen gibt und die Erklärungen schwer aus den Bildern herauszulesen sind, so ruft dieses Buch dennoch auf, die eigene Denkweise zu hinterfragen. Lange wurden uns geschichtliche Fakten in der Schule eingetrichtert, welche wir heute nicht mehr in Frage stellen.
Dieses Buch leitet wieder dazu an, sich ein eigenes Bild zu machen – von der Entdeckung Amerikas, aber auch von der Geschichtsschreibung im Allgemeinen.