Susanne Konrad atmet die Frankfurter Luft, kann den Main live erleben und arbeitet auch in jener Metropole. Sie ist im Jahre des sich anbahnenden Anthropozäns 1965 in einer unbekannten Stadt in NRW zur Welt gekommen, um sich diese unsere blaue Perle mit Milliarden Sapiens zu teilen. Ach so, dieser unbedeutende Geburtsort heißt übrigens Bonn.
Sie hat Literaturwissenschaft und Geschichte studiert, promovierte über jenen anderen total unbekannten Frankfurter Autoren Johann Wolfgang von Goethe.
Sie hat Fachbücher veröffentlicht über Integration und Kreatives Schreiben sowie andere Beiträge.
Entwicklungsromane und Prosa zu den Themen Diversität, Heimat und lokale Identität sind ihre Passion. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst verlieh ihr im Herbst 2017 ein Arbeitsstipendium.
2015 hat sie Die Akademikerin veröffentlicht und 2017 die Novelle Die Liebenden von Wiesbaden.
Das vorliegende Buch enthält drei Erzählungen. Die dritte ist in einer weiteren Version vertreten, in einfacher Sprache, damit dementsprechend Interessierte nicht exkludiert sind.
Susanne Konrad ist von großer Humanität und Empathie getragen und geprägt, so liebevoll und feinfühlig sie mit ihren Protagonist / innen verfährt.
Es gibt ein Vorwort, sowie eine Nachbemerkung. Die drei Geschichten lauten: "Walzer mit Mr. Spock", "Annabelle und ihr wilder Stier" sowie "Martin in der Kammer", wie erwähnt auch in die einfache Sprache übersetzt von Marianne Arndt.
In der ersten Geschichte lernen wir Regine kennen, die zerbrochene und traumatisierte junge Frau. Sie trägt schwer an ihrer familiären Vergangenheit und daß ihr Bruder als Mörder einsitzt.
Sie ist schon viele Monate in der Psychiatrie und "therapieresistent", bis der neue Arzt Dr. Robert Daniel anfängt. Regine schwärmt ohnehin von Mr. Spock und hegt sogar erotische Phantasien über ihn und zu ihrer großen Freude sieht der Arzt Mr. Spock frappant ähnlich. Sie verlieben sich ineinander.
Können sie draußen in der Welt eine Chance haben, jenseits des Tabus, und der Arzt-Patienten-Barriere?
In der zweiten Geschichte zieht Annabelle aus dem Taunus nach Manhattan, um zu studieren. Sie zieht in eine WG und lernt den Anfang Vierzigjährigen, Walter kennen. Er gilt als "seltsam", "asozial", ist sogenannt verkommen und verlottert. Trockener Alkoholiker, zerbrochen. Seine Frau hatte ihn betrogen und Suizid begangen.
Nach ersten Berührungsängsten stellt Annabelle fest, wie liebenswert, verletzlich und warmherzig sowie sensibel Walter ist. Sie nähern sich immer mehr an. Aber sie ernten nur Unverständnis, Engstirnigkeit, Vorurteile und offene Ablehnung von ihrer Umgebung.
Hat ihre Liebe eine Chance oder wird Annabelle sich wieder von den Normen anketten lassen?
In der dritten Geschichte fängt die junge Ilse als Haushaltshilfe Mitte der 70er Jahre bei einer piekfeinen, aber dünkelhaft arroganten reichen Familie im Westend an.
Sie haben zwei "perfekte" Töchter, aber ihr erwachsener Sohn Martin, der geistige Einschränkungen habe sowie spastische Lähmungen wird wie ein schmutziges Geheimnis in der Dachkammer versteckt. Nicht gefördert, wird gefesselt, geschlagen. Vor allem dann, wenn er nur das geringste Anzeichen seiner "widerwärtigen" Sexualität zeigt.
Ilse lernt ihn kennen und lieben, weil sie durch seine Fassade direkt in sein Herz und Seele blickt. Er ist sanft, fürsorglich, liebevoll. Es kommt zum Eklat und jahrelang sehen sie sich nicht wieder.
Und dann kommt der Zufall ihnen zur Hilfe? Haben sie eine Chance gegen eine feindselige Umgebung und Gesellschaft?
Hervorragend, wie leidenschaftlich die Autorin all die Intoleranz, Vorurteile, Gemeinheit der Gesellschaft anzuprangern und geschickt ihnen die Larve zu entreißen. Wer sind wir, erwachsenen Menschen, die aus freien Stücken zusammen sind, ihre Liebe absprechen zu wollen? Liebe hat unendlich viele Facetten und Antlitze.
Wer sind wir zu bestimmen, wie sehr geistig behindert jemand sein soll? Wir ach so "Normalen" stecken nicht in deren Körpern, sodaß wir gar nicht beurteilen können, wie und auf welche Art sie die Welt nun genau erleben. Wer aber nicht den Normen einer hochgezüchteten Hochleistungsgesellschaft, als "Behinderter", der nicht behindert ist, sondern behindert wird, als psychisch Erkrankte usw.
Wer sind wir, "Behinderten" ihre Sexualität absprechen zu wollen, daß manche sie verächtlich Sodomie nennen, tabuisiert, "widerlich", "abartig" ... Was soll das? Wem steht solch ein Urteil zu?
Ein eminentes Buch, aufwühlend, ein Aufreger, berührend, verdichtet, intensiv, zum Nachdenken anregend und diskussionswürdig. Durchaus für die Schule geeignet und für den regen Austausch im Diskurs. Danke, Susanne Konrad!!!