Rezension zu "Der Honorarkonsul" von Graham Greene
„Der Honorarkonsul“ von Graham Greene kann mit dem „Dritten Mann“ nicht mithalten, beweist aber, warum Greene zu den großen gesellschaftskritischen Erzählern des 20. Jahrhunderts gehörte. Er packte in seinen Romanen heiße politische Themen seiner Zeit an und verwandelte sie in – zum Teil sogar spannende – Literatur. Vielleicht ist John le Carré sein legitimer Nachfolger.
Charly Fortnum ist der englische Honorarkonsul in irgendeiner argentinischen Stadt an der Grenze zu Paraguay – ein für das Foreign Office Ihrer Majestät der Queen völlig unbedeutendes Lichtlein du überdies menschlich ein „jämmerlicher Niemand“ (S. 180). Dieser bedauernswerte Säufer wird von paraguayischen Partisanen aus Versehen statt des amerikanischen Botschafters entführt und soll nun als Geisel dennoch erpresserischen Ertrag bringen. Der Roman lässt keinen Zweifel aufkommen, wie aussichtsreich dieses Unterfangen sein würde. In der gleichen Stadt wohnt auch Dr. Eduarde Plarr, Frucht aus englisch-paraguayischer Ehe, Gelegenheits-Gigolo für die Damen der Provinz und sowohl verwandtschaftlich als auch freundschaftlich mit den Partisanen und Gegnern des paraguayischen Diktators Alfredo Stroessner verbunden.
Der Roman folgt den Handlungen dieser beiden Männer, die verbunden sind durch eine Frau, nämlich Fortnums Ehefrau Clara. Ex-Hure, Plarrs Geliebte und Zeugin des südamerikanischen „machismo“, dessen unseligen Handlungsanweisungen, Haltungen und Fehlverhalten des männlichen Teils der südamerikanischen Bevölkerung der Handlung das Dramatische geben.
Aufgaben? Erst denken, dann handeln? Ehrenvoller Rückzug? Gute Ratschläge von Alten, Schwachen oder gar Frauen? Das alles gibt es nicht mit dem Männlichkeitsideal, das auf dem gesamten Kontinent bereits mit der Muttermilch verabreicht wird. „Hier ist machismo gleichbedeutend mit Leben. (…) Ohne machismo ist ein Mann tot.“ (S. 114).
Greene entwickelt und verwickelt seinen Roman um diese Grundhaltung seines Personals sowie um die ambivalente Position Dr. Plarrs zwischen allen Fronten. Die Spannung entsteht, weil der machismo den Männern Dummheiten diktiert – erfunden wurde er wahrscheinlich von „einer Bande von Raufbolden wie Pizzaro oder Cortés“ (S. 291) – und weil Greene es versteht, Dr. Plarr und Fortnum vor widersprüchliche Handlungsoptionen zu stellen, an denen sie entweder scheitern oder wachsen können.
Das andere, den Kontinent prägende Thema ist die Glaubensfrage, also wie indigener Glaube, das barmherzige Christentum und die Amtskirche sich im Volk vereinigen lassen - oder nicht. Der gefallene Priester, der als Partisan nicht nur der Kirche,. sondern auch der Staatlichkeit abhanden gekommen ist, bringt die Problematik in den Roman, die zwar wichtig, aber auch redundant und ermüdend ist.
Mir hat gefallen, dass „Der Honorarkonsul“ mit spannender Handlung einen Winkel der der südamerikanischen Seele ausleuchtet, wenn auch Längen entstehen.