Cover des Buches Zoé & Adil – in Love (ISBN: 9783957711762)
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Rezension zu Zoé & Adil – in Love von Susanne Rocholl

Macht Liebe vor einer fremden Kultur halt?

von Antek vor 7 Jahren

Rezension

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Antekvor 7 Jahren

Für die 16-jährige Zoé stürzt eine Welt ein, als ihr ihre Mutter Charlie eröffnet, dass sie ihren Blumenladen in Berlin nicht mehr halten kann und sie deshalb zu ihrem Bruder Viktor nach Flees, das kleine Kuhkaff am Niederrhein, ziehen müssen. Eine neue Schule ein Jahr vor dem Abi, neue Freunde suchen müssen, und das, wenn sie sich im Moment aufgrund schlimmer Narben nach einem Unfall sowieso selbst nicht mag, ist für sie die absolute Katastrophe. Die nächste erwartet sie in Onkel Viktors Hotel, in dem sie ein altes Turmzimmer bekommt, das noch eine Tapete aus Gründerzeiten ziert. Eine aufgeräumte Kleinstadt, ganz anders als ihr geliebtes Berlin, aber wenigstens einen Mc Donalds gibt es und in dem sogar einen farbigen, wirklich gutaussehenden Jungen, hurra. Allerdings scheint sich dieser vor ihr zu fürchten, warum nur? Wenig später ist klar, der 17-jährige Adil ist Flüchtling aus Syrien, traumatisiert, aber eben auch so interessant. Politik hat sie bisher überhaupt nicht interessiert, jetzt gibt es für Zoé allerdings einen äußerst netten und attraktiven Grund sich ausführlich zu informieren, schließlich will sie vor ihm nicht als Dummerchen da stehen. Je mehr Zeit sie mir ihm verbringt, desto eindringlicher werden die Warnungen ihrer Mutter Charlie, und auch Zoé, die absolut nichts gegen Menschen aus fremden Kulturen als Freunde hat, ist sich unsicher, denn eine Liebesbeziehung zu einem Moslem ist noch einmal etwas ganz anderes. Aber kann man sich gegen aufkommende Gefühle wehren und das Wichtigste will Adil sie überhaupt mit ihren hässlichen Narben?

Als Leser bekommt man hier eine spannende, alles andere als kitschige Liebesgeschichte geboten, die von einem Mädchen mit geringem Selbstwertgefühl aufgrund ihrer Narben erzählt und nicht nur deshalb problematisch ist. Zudem kommen noch der kulturelle Unterschied und Adils Kriegs- und Fluchttraumata hinzu, die das Ganze erschweren. Sich in einer neuen Umgebung einfinden, neue Freundschaften knüpfen, alte verlieren ist ebenso Thema wie die Frage, wie wird in einer Kleinstadt mit ankommenden Flüchtlingen umgegangen.

Der anschauliche, lockere Sprachstil macht das Lesen dieser tollen Geschichte leicht. Die Autorin verwendet viele Vergleiche wie z.B. „ich fühlte mich wie Butter in einer heißen Pfanne“ oder „anhänglich wie ein Kaugummi“, sodass man sich alles gut vorstellen kann. Zoé berichtet aus der Ich-Perspektive, was sie dem Leser noch näher bringt, denn wer könnte sich z.B. bei dem Gedanken „Auf dem Land leben war vielleicht gar nicht so schlecht, aber ich hatte mir vorgenommen es zu hassen“ nicht in sie hinein versetzen. Susanne Rocholl gelingt es auch gut Gefühle darzustellen und zu erzeugen. So hatte ich nicht nur einmal unheimliche Wut auf Viktor oder Derek im Bauch, habe die Enttäuschung erlebt, wenn Zoé keine Nachricht von ihrer Freundin Dilara aus Berlin erhält, oder habe die Schmetterlinge im Bauch gefühlt, wenn sie mit Adil auf dem Hochsitz ein Picknick macht. Auch Adils Panik beim Geräusch eines vorbeifahrenden Zuges und seine Verzweiflung, wenn er vom Rest seiner Familie spricht, ist deutlich zu spüren.

Durch Gespräche zwischen Adil und Zoé und ihre Internetrecherchen erfährt man einiges über die Probleme in Syrien, den Islam, den Koran, Sunniten, Schiiten oder Alawiten. Diese Informationen sind wohl dosiert, niemals zu viel am Stück um für Uninteressierte langweilig werden zu können, leicht verständlich und haben mir äußerst gut gefallen. Einen kleinen Einblick erhält man auch in die Essgewohnheiten und beim Gedanken an Adils Maqdous, den mit Knoblauch Paprika und Walnüssen eingelegten Auberginen, wird mir jetzt noch der Mund wässrig.

Perfekt eingefangen ist auch die Atmosphäre in der Provinz-Kleinstadt mit knapp 5000 Einwohnern, der 384 Flüchtlinge zugeteilt werden. Es muss nicht nur Platz geschafft werden, sondern auch Gegner und Befürworter spalten die Gesellschaft, mitunter sogar Freunde. Die aufgeheizte Stimmung bei der Bürgerversammlung konnte ich mir z.B. lebhaft vorstellen. Die absurden Vorurteile und Forderungen haben mir in der Seele weh getan, aber es gibt zum Glück auch diejenigen, obwohl anfangs nur einige wenige, die Mut haben und den Flüchtlingen hilfsbereit und offen gegenüber stehen.

Zoé war mir von Anfang an sympathisch. Ich konnte mich perfekt in sie hinein versetzen. Sie hat ihren eigenen Kopf, das Herz am rechten Fleck und durch die Narben ist ihr Selbstbewusstsein schwer angekratzt. Richtig ans Herz gewachsen ist mir auch Emma, ihre neue Schulkameradin und Freundin, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt und auch dem arroganten Bügermeistersohn Derek ordentlich die Meinung geigt, weil sie dessen übermäßige Selbstbeweihräucherung nicht ertragen kann. Deren Mutter mochte ich ebenfalls wie Charlie, die zwar ihre Ansichten hat, aber tolle Gespräche mit Zoé führt. Bei Onkel Viktor war ich hin und her gerissen, anfangs sympathisch, hat er sich im Laufe der Geschichte immer mehr Antipathien, ja sogar meinen Hass eingehandelt, was sich dann aber auch glücklicherweise wieder relativiert hat. Adil hat mich gerührt, er war mir sympathisch, stets aber auch etwas unheimlich. Auch die Nebendarsteller sind gelungen dargestellt, bei Lehrer Eulenauge angefangen, der einen Blick für die Schüler hat, bis hin zu Kevin, der Schuld an Zoé Unfall trägt, aber vielleicht gar nicht so verkehrt ist.

Alles in allem ein wirklich empfehlenswerter Roman, der mit sympathischen Charakteren und einer fesselnden Geschichte, die Ängste, Vorurteile, Gefühle und die aktuelle Flüchtlingslage gekonnt verarbeitet, punkten kann.

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