Rezension zu "Schizophrenes Evangelium" von Bohumil Hrabal
Bohumil Hrabal sitzt im Mittelpunkt einer Welt, die Prag genannt werden muß. Er hat diese Welt in vielen Büchern selbst erschaffen, aber auf ihre besondere Weise konnte sie nur an der Moldau aufblühen. Und weil die Symbiose zwischen der Stadt und ihrem Poeten so wunderbare Blüten trieb, ist der 80jährige Hrabal selbst ein bedeutender Teil des realen Prag geworden.
Jeder echte Prager weiß: der Hrabal zecht seit ewigen Zeiten an seinem Stammtisch im "Goldenen Tiger". Vor aufdringlichen Touristen schirmen ihn Freunde ab. Nur Leute wie Vaclav Havel führen ungehindert Besucher - zum Beispiel den Staatsgast Bill Clinton - in die mythische Kneipenrunde ein. Und vor wenigen Tagen durfte auch Svato Zapletal neben Hrabal Platz nehmen.
Der tschechische Grafiker und Kleinverleger Zapletal ist seit 1971 Hamburger. Hier gestaltet und druckt er die Bücher seines kleinen, aber feinen Svato-Verlages. Zapletal bewunderte Hrabal schon, als er kurz vor Schließung der tschechischen Grenzen 1969 zum Studium in die Bundesrepublik kam. Gerne hätte er ein Buch mit dem Schriftsteller aus seiner Heimat gemacht.
Doch Hrabal stieg zur "tschechischen Erzählergroßmacht" (Süddeutsche Zeitung) auf, und die großen Verlage bemühten sich um ihn. So viele Leute wollten so großartige Projekte mit dem Prager machen, daß Zapletal keine Chance sah, ihn noch irgendwann für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Doch ausgerechnet in Hamburg traf er vor einem Jahr Hrabals Übersetzerin Susanna Roth.
Interessiert schaute die Hrabal-Vertraute sich die kunstvollen Buchprojekte des Svato-Verlages an, die Zapletal alle selbst illustriert. Sie erzählte dem greisen Poeten von seinem Landsmann in Hamburg und siehe: er kramte aus seiner tiefen Schublade drei Texte hervor.
Diese drei Geschichten, die noch nie auf deutsch zu lesen waren, erscheinen in dieser Woche im Svato-Verlag als "Schizophrenes Evangelium". Zapletal, der für seine Bücher lebt und sich in Schulden stürzt, ist glücklich: "Niemand schreibt wie Hrabal. Surreal und gleichzeitig so dicht an den Menschen, voller Liebe und Phantasie."
Vor allem in der Titelgeschichte "Schizophrenes Evangelium" wird sehr deutlich, was Zapletal meint. Hrabals Jesus ist (natürlich) in Prag-Liben geboren und legt sein zartes Haupt auf den Marmortisch des Tanzlokals Kuchynka, als die ersten Bekehrungsversuche fehlschlagen. "Und es erschien ihm der Jemand, doch nicht in Gestalt eines Posttäubchens, sondern einer Prothese, die eine Wolke durchbrochen hatte. Und die Prothese war voll von verkrustetem Blut und Rost, als habe sie in den Sümpfen des Tertiär gelegen."
Nur 150 Exemplare des "Schizophrenen Evangeliums" hat Svato Zapletal in seiner Eimsbüttler Werkstatt selbst gefertigt. Es soll bei dieser einen Auflage bleiben. Entsprechend hoch sind die Preise.