Über die Fachkenntnisse von Herzog gibt es vermutlich nichts zu kritisieren. Die Abschnitte, die sich ausschließlich mit Historie und Tatsachen von Wald und Biologie beschäftigen sind interessant, wenn auch überraschend wenig innovativ. So könnte man das Buch als eines der weiteren Waldbücher als ganz nett abhaken. Wäre da nicht Herzogs für sich selbst in Anspruch genommene Objektivität. Während er die bösen Naturschützer als Lobbyisten in eigener Sache diffamiert, ist er natürlich der Wissenschaftler. Allerdings ein sehr seltsamer Wissenschaftler. Im Vorbeigehen wird mehrmals der menschengemachte Klimawandel geleugnet. Natürlich nicht plump. Dazu ist der Herr Professor viel zu versiert. Er benutzt Geraune und die altbekannte Hundepfeife. Der geneigte Leser wird ihn schon verstehen.
Nun gut Herzog ist Förster und Jäger aus Leidenschaft. Was hatte ich nur erwartet. Und offenbar auch Waldbesitzer, denn seine ewige Litanei, dass der Wald ja gefälligst ökonomisch verwertbar sein müsse, hat dann irgendwie doch recht wenig Wissenschaftliches. Apropos wenig wissenschaftlich. Für einen Forstwissenschaftler, der ja ein Buch gegen die Polarisierung und gegen den Lobbyismus schreiben wollte, polarisiert er doch recht viel und ist selbst Lobbyist. Dazu wagt er sich immer wieder auf die Felder der Gesellschaftswissenschaften vor und verblüfft dort mit Unkenntnis, Ignoranz aber dafür einer gehörigen Portion Arroganz. Geschult wie er ist, findet das dann meist im Konjunktiv statt. Man wird ja wohl noch sagen dürfen...
Eigentlich hätte man das Buch schon weglegen können, als er mit seiner für das gesamte Buch grundlegenden Prämisse daherkam. Holz/Wald könne man ja ohne Probleme bewirtschaften, denn es ist klimaneutral. Das ist für einen Professor jetzt aber eine überraschende Milchmädchenrechnung. Natürlich gibt Holz nur das C02 ab, dass es auch aufgenommen hat. Insofern hat er natürlich recht. Was er aber verschweigt, ist, dass das CO2, das wir jetzt abgeben, wenn wir Holz verbrennen, das gebundene CO2 von vor 100 Jahren ist. Und dass wir weitere 100 Jahre brauchen, bis neu gepflanzte Bäume die gleiche Menge wieder gebunden haben. Da wir aber jetzt (!) ein C02 Problem haben, hilft uns die Lobby-Mathematik des Waldmeisters recht wenig weiter.
Apropos Waldbesitzer. Herzog ist sich nicht zu schade den Waldbesitz und das Jagdrecht als demokratische Errungenschaft zu propagieren. Wenn also 2,5 Prozent der Menschen Deutschlands Waldbesitzer sind, dann ist das eine demokratische Meisterleistung. Das klingt doch arg nach FDP-Demokratie. Gleichzeitig beschwert er sich aber gefühlt jede zweite Seite, dass die Waldbesitzer, die am meisten benachteiligten Menschen Deutschlands sind. Deren Rechte seien so extrem (wie bei Vermietern) beschnitten. Puh. Gut, dass hier der objektive Wissenschaftler schreibt. Da wird der Nutzen des Waldes „Sozialisiert“ und die Kosten privatisiert. Wie meinen? Dass Wald überhaupt in privatem Besitz ist, ist Herzog keine Überlegung wert. Ist halt so. Kapitalismus tja. Dass die privaten Erträge aus einem lebenswichtigen Naturgut entstehen, interessiert ihn auch nur beim Blick auf das Konto, aber nicht bei seiner „wissenschaftlichen“ Bewertung.
Und Apropos FDP. Natürlich darf nicht fehlen, dass der Staat sich möglichst raushalten soll, dass die wirtschaftliche Nutzung Teil der Klimarettung ist, das Windkraftanlagen das Landschaftsbild zerstören (das ist tatsächlich ein ernstgemeintes Argument von Herzog; und da ist er sich auch nicht zu blöd, auf Bild-„Zeitungs“-Niveau zu kolportieren, in Zukunft werde es keine Wälder mehr ohne Windkraftanlage geben), dass alle anderen Ideologen sind, außer man selbst, dass die unsichtbare Hand des Marktes es schon richten wird und natürlich die Kernkompetenz: keine Steuerverschwendung mehr für Naturschutz. Die Waldbesitzer wissen doch selber, was gut ist. So sie denn von fachkundigen Herzogs beraten werden.
Noch weiter nach rechts rutscht er nur noch, wenn es gegen die Naturschutzlobby auszukeilen gilt. Deren Geschäftsmodell sei ja die kaputte Natur, weshalb die gar kein Interesse an echtem Naturschutz haben, sondern das Geld nur für sich verausgaben und die Natur weiter kaputt halten. Das wird sicherlich auch von dem ein oder anderen AfDler und Verschwörungstheoretiker gerne unterschrieben. Dass das keine Ausrutscher oder Fehlinterpretation meinerseits ist, belegt Herzog dann auch gleich selbst, wenn er sich als Klimaskeptiker positioniert, der nur weil man nicht dem politischen Mainstream (!) angehört, als Klimaleugner diffamiert werden könnte. Politischer Mainstream Klimawandel. So so. Damit nicht genug, versteigt er sich immer weiter und sieht Parallelen zur Covid-19-Debatte (sic!). Es überrascht dann auch nicht mehr, wenn er auch die Kern(!)energie ins Feld führt.