Cover des Buches Asche (ISBN: 9783945426081)
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Rezension zu Asche von Sven Heuchert

Kurze Geschichten die lange nachwirken

von BRichard vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Stories über gescheiterte Existenzen, die meist ganz unten um den letzten Rest ihrer Würde kämpfen.

Rezension

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BRichardvor 7 Jahren
Sven Heucherts Sprache ist kompromisslos und präzise. Seine Beschreibungen sind eindeutig wie Raucherhusten. Er zeigt seine Figuren in meist aussichtslosen Situationen mit allen ihren Schwächen und Fehlern - ohne sie vorzuführen oder bloßzustellen. Er ist als Autor an und auf ihrer Seite. Lässt ihnen immer einen Rest Würde, selbst wenn ihr Leben bereits in Trümmern liegt und sie die letzte kleine Chance jämmerlich vergeigt haben. Milieu pur. Viel Suff. Gewalt. Fluppen. Drogen. Sex. Vergewaltigung. Malochen. Das alles wird von sehr glaubwürdigen Dialogen getragen und ist so atmosphärisch und real, wie die abgestandene Luft einer Eckkneipe.

Schon die Geschichte Sag den Frauen, wir kommen nie wieder ist eine harte und schonungslose Milieustudie. Sie entwickelt einen sich tückisch steigernden Sog, dem man sich nicht entziehen kann - selbst wenn man das hässliche Ende ahnt, dem man sich mit jedem weiteren Satz unvermeidlich entgegenliest. Das ist konsequent, dreckig und brutal - aber eben auch faszinierend und echt. Man bleibt dran, ob man will oder nicht. Hat immer noch Hoffnung, die Sache möge nicht gänzlich aus dem Ruder laufen. und weiß doch, wie sinnlos diese Hoffnung ist. Und man fühlte sich am Ende beteiligt wie ein Mitwisser und schämt sich irgendwie, nicht eingegriffen zu haben - so tief wird man in die Story hineingezogen.

Asche - Das sind kurze Geschichten über Menschen, die in ihrem Leben einen kritischen Punkt erreicht haben. Oder direkt vor dem Abgrund stehen. Oder schon einen Schritt weiter sind. Kurze, aber keine kurzweiligen Geschichten. Sie sind tief- und abgründig, nachhaltig und man ahnt immer die größere Geschichte, die hinter diesen als Schlaglicht gezeigten Schicksalen steckt. Geschichten des Scheiterns und der Hoffnungslosigkeit, verlorene Träume, verspielte Chancen; all das verbunden mit der Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht, wieder aufzustehen. Und wofür?

Heuchert führt uns so dicht an seine Figuren heran, dass man alten Schweiß, und Alkoholdunst zu riechen und die Resignation in ihren Augen zu sehen glaubt. Figuren, die malochen und Abends mit schwieligen Händen nach der Bierflasche greifen, die gewalttätig und zugleich schwach sind, versagen, falsche Entscheidungen treffen. Oder keine! Wie der Ich-Erzähler in Sag den Frauen, wir kommen nicht wieder.

Und doch gibt es auch die ruhigen, sanften und zärtlichen Momente in dieser harten und kompromisslosen Welt. Hier und da blitzt ein Hoffnungsschimmer auf. Das sind wohl gesetzte Akzente, die das Buch davor bewahren, in völliger Aussichtslosigkeit und Resignation zu versinken.

Kann ich am Ende sagen, diese Geschichten gern gelesen zu haben? Nein. Denn diese Geschichten wollen nicht gern gelesen werden. Man muss sich auf sie einlasssen. Sie erarbeiten. Sie wirken lassen. Ihnen Raum geben. Sie im wahrsten Sinne des Wortes miterleben. Genau das habe ich getan, fasziniert, oft ergriffen und ... völlig weg..


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