Selten habe ich eine so dünne Gesellschaftsanalyse gelesen. Sie steht m.E. exemplarisch für eine 'dünne Gesellschaft', die zwar manche Probleme noch wahrnimmt, sie aber entweder gar nicht mehr lösen kann oder mit dürftigen Konzepten daher kommt. Hillenkamp versucht seiner Problematik - der Umkehrung von Freiheit in Zwang - anhand der Liebe näher zu kommen und dies auf dem halb-literarischen Weg. Genau hier erreicht er mich überhaupt nicht: er bleibt mir zu oberflächlich, zu unkritisch, mitunter zu philosophisch. Den Problemen der Zeit scheint er zwar mit genügend Vokabular gewachsen zu sein, aber die Art der Umsetzung kann mich nicht überzeugen. Zu wenig wird mit Argumenten gearbeitet, zu wenig wird knallharte Kritik geäußert. Stattdessen wird philosophisch sanft eine Problematik anhand eines Alltagsbeispiels in Weichspühlermanier aufgearbeitet. Ein Ansatz, der manchmal zur Verdeutlichung okay ist, hier aber irgendwie das Buch plätschernd in die Länge zieht und den Erkenntnisgewinn zweifelhaft erscheinen lässt. Schade, der Titel hat unglaublich erhellende Momente suggeriert.
Sven Hillenkamp
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Sven Hillenkamp
Das Ende der Liebe
Fußabdrücke eines Fliegenden
Negative Moderne
Neue Rezensionen zu Sven Hillenkamp
Rezension zu "Das Ende der Liebe" von Sven Hillenkamp
Es ist in den letzten Jahren wieder "in" zu heiraten. Die Paare, die über eine lange Zeit ohne Eheschließung zusammenleben, geraten langsam aber sicher in die Minderheit. Als Pfarrer im Ruhestand, der ab und zu einmal eine Vertretung übernimmt, kann ich auch bestätigen, dass es immer mehr Paare gibt, die ihre Ehe in der Kirche mit einem religiösen Segen besiegeln. Alle wählen dabei die traditionelle Trauformel "bis dass der Tod euch scheidet..."
Dennoch: jede zweite Ehe wird eher früher als später wieder geschieden. Das hat mannigfaltige Ursachen, die gravierendste ist die, dass die jungen Eheleute ihre Beziehung überfrachten mit Erwartungen und Bedürfnissen, die kein Mensch einlösen und keine Ehe befriedigen kann.
Der bekannte Paartherapeut Arnold Retzer hat unlängst ein Buch mit dem Titel: "Lob der Vernunftehe. Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe" veröffentlicht, wobei Titel und Untertitel, übrigens auch die äußere Gestaltung des Buches, stark an das vor zwei Jahren veröffentlichte und stark und umstritten diskutierte Buch von Bernhard Bueb: "Lob der Disziplin" erinnern.
Das vorliegende Buch des freien Autors Sven Hillenkamp geht in eine ähnliche Richtung. Weniger wissenschaftlich geschrieben, weniger an der Beratungspraxis orientiert als an ausführlichen gesellschaftlichen und soziologischen Beobachtungen geht der Autor einer Entwicklung nach und vertieft sein Nachdenken darüber, die die herkömmliche Liebe, jene Grundlage und jenes Bindemittel aller Beziehungen und erst recht der Ehen total verändert hat.
Die Menschen haben heute fast unbegrenzte Möglichkeiten. Selbst ein Mensch, der nicht gerade im Wohlstand schwelgt, kann sich freier bewegen und selbständiger über sein Leben und seine Bedürfnisse bestimmen als jeder Angehörige aller anderen Generationen davor.
Ob es die Liebe ist, der Sex, die Frage, wo ich wohnen möchte und wie und mit wem ich leben möchte, die Frage, wie ich meine Berufskarriere gestalte und ob ich eine Therapie mache oder nicht - die Beispiele für die heutigen fast unbegrenzten Möglichkeiten des Einzelnen sind Legion.
Doch der Einzelne ist damit überfordert und deshalb überfrachtet er auch seine Beziehungen und seine Liebe. Dabei weiß er immer, dass er zu jeder beliebigen Zeit immer unter seinen Möglichkeiten bleibt. Wer theoretisch alles können kann, muss zwangsläufig scheitern und an Scham über die nicht genutzten Möglichkeiten in den Boden versinken.
Ist das für das einzelnen Individuum schon ein eigentlich nicht zu bezahlender Preis für eine zunächst so verlockende Freiheit, ist es für die Liebe der Tod. Unbegrenzte Freiheit und Liebe zu einem andern Menschen vertragen sich nicht miteinander. Und so erscheint ein Glücksratgeber nach dem anderen, die Kurse bei den entsprechenden Therapeuten, darunter auch viele Scharlatane, laufen über, das Geschäft mit dem Glück blüht, aber die Menschen werden immer unglücklicher. Die Depressionen nehmen zu und mitten im Reichtum ihrer Möglichkeiten verhungern sie an Seele, und wenn man sich die Magersüchtigen anschaut, auch am Leib.
Das Buch von Sven Hillenkamp ist so etwas wie ein Weckruf zur Vernunft zurückzukehren und damit auch zu so etwas wie der Idee einer Vernunftehe, wie das auch Arnold Retzer in seinem eingangs erwähnten Buch getan hat. Eine solche Ehe ist etwas total anderes als eine reine Versorgungseinrichtung. Liebe und Emotionen, gegenseitige Fürsorge und Unterstützung, Sexualität und Lust haben darin ihren wichtigen Platz, aber der andere darf darin ein normaler Mensch sein mit all seinen Schwächen und Stärken.
Die Freiheit darf sich nicht in eine Tyrannei verwandeln. Ein wichtiges Buch über die notwendige Neujustierung von Liebe und Freiheit.
Rezension zu "Das Ende der Liebe" von Sven Hillenkamp
Inhalt:
Das Ende der Liebe erzählt vom modernen Menschen, der mit der Unendlichkeit seiner Möglichkeiten in allen nur erdenklichen Bereichen des Lebens, ständig auf der Suche ist. Dabei beschreibt Sven Hillenkamp mit Hilfe von zahlreichen Beispielen wie die Gesellschaft von heute, deren höchstes Gut die Freiheit ist, sich in ihrer Freiheit selbst verliert.
Meinung:
Der moderne Mensch von heute ist frei. Seine Freiheit geht ihm über alles und durch diese ist er immer auf der Suche. Er gibt sich nie mit dem zufrieden, was er hat, will immer mehr, sieht immer die Möglichkeiten, welche er noch haben könnte. Die freien Menschen sind auf der Suche, einer Suche, die niemals endet.
Diese unendlichen Möglichkeiten wirken sich auf den modernen Menschen, laut Sven Hillenkamp, als Zwang aus. Den Zwang ständig alles Mögliche im Auge zu behalten, niemals zur Ruhe zu kommen. Die Möglichkeit der Unendlichkeit der Möglichkeiten wird nicht mehr durch zwingende Regeln oder Gewohnheiten beschränkt. Das Alter oder Geschlecht spielt keine Rolle mehr. Der Mensch kann frei wählen. Dabei besteht die Wahlmöglichkeit nicht aus einer einzigen Wahl, sondern aus vielen verschiedenen Möglichkeiten.
Die Suche des modernen Menschen entsteht aus einem Mangel heraus, doch dieser ist die Folge des Überflusses, dem wir ausgesetzt sind. Der Autor beschreibt diese Konsequenz an einem Beispiel: Wir haben ein sehr großes Nahrungsangebot, suchen uns daher die beste Nahrung heraus, genauso wie wir in der Moderne unendlich viele potenzielle Partner vor uns haben und uns deshalb den besten Gefährten aussuchen wollen – selbst dann, wenn wir bereits einen Partner haben. Die Suche endet nie.
Die freien Menschen sind Gefangener ihrer eigenen Freiheit, ihres Bewusstseins von sich selbst. Sie verabscheuen Mechanismen oder Muster, die sie einschränken. Sie wollen deshalb das, was sie eigentlich nicht wollen und wollen nicht das, was sie wollen. Ein Paradox, welches sich durch das komplette Buch zieht.
Sven Hillenkamps Das Ende der Liebe ist ein Buch, das durchaus übertreibt. An vielen Beispielen beschreibt der Autor in großem metaphorischem Stil die Unendlichkeit der Möglichkeiten unserer Zeit und gerät dabei sicherlich in eine übertriebene Bahn. Aber genau das ist unsere Gesellschaft: Sie übertreibt, die Möglichkeiten, welche dem freien Menschen heutzutage zugänglich gemacht werden, sind übertrieben. Die Grenzen zwischen dem, was wirklich möglich ist, was realistisch erscheint und dem, was möglich sein könnte, aber eigentlich nicht im Bereich des Möglichen liegt, verschwimmen, werden unsichtbar.
Dieses Sachbuch lässt sich schwer in ein paar Worte packen. Es besticht allerdings durch seine metaphorische Sprache, die anregt zwischen den Zeilen zu lesen sowie auch sich und seine Umwelt zu achten, ja es ermuntert zum Nachdenken, zum Analysieren. Ein Punkt, der durchaus in Hillenkamps Werk kritisiert wird: Der Mensch, der sich selbst zu sehr analysiert und betrachtet.
Das Ende der Liebe ist keine Nachmittagslektüre für ruhige Stunden, sondern liest sich doch recht schwer und erfordert viel Konzentration. Auch fand ich die Beispiele teilweise nicht hilfreich, sondern sie erzeugten bei mir eher noch mehr Verwirrung. Sven Hillenkamps Buch wirft einen reflexiven Blick auf unsere Gesellschaft, in der die Möglichkeiten unerschöpflich erscheinen, ohne wirklich unbegrenzt zu sein.
Fazit:
Das Ende der Liebe ist ein metaphernreiches Buch über den modernen Menschen. Einen Menschen, dem seine Freiheit über alles geht, der durch die unbegrenzten Möglichkeiten, die sich heutzutage bieten ständig auf der Suche ist und darüber hinaus sich nicht mit dem zufrieden gibt, was er besitzt. Die vielen Beispiele verdeutlichen aber nicht immer das, was der Autor konkret meint, sondern der Leser muss dieses konzentriert und reflexiv lesen. Die aus Überfluss bestehende Gesellschaft, welche Sven Hillenkamp beschreibt, wird außerdem doch teilweise sehr übertrieben dargestellt, was aber zur Thematik des Buches, einer Gesellschaft der Möglichkeiten ohne Grenzen, passt.
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