Cover des Buches Torstraße 1 (ISBN: 9783423280044)
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Rezension zu Torstraße 1 von Sybil Volks

Gute Unterhaltung, aber zu wenig Tiefgang

von mondy vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Eigentlich eine spannende Familiengeschichte vor interessantem historischen Hintergrund, aber mir fehlte der Fokus auf ein Kernthema.

Rezension

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mondyvor 7 Jahren
Inhalt
Berlin, 1929: Das riesige Kreditkaufhaus Jonass öffnet seine Pforten. Während im Dachgartenrestaurant gefeiert wird, gebiert die Verkäuferin Vicky in der Poststelle ihre uneheliche Tochter Elsa. Ihr zur Seite steht der Zimmermann Wilhelm Glaser, dessen eigener Sohn Bernhard zur gleichen Stunde geboren wird. Fortan sind sich die beiden Familien stets verbunden, besonders zwischen Elsa und Bernhard entsteht eine tiefe Freundschaft. Diese bleibt trotz aller Widrigkeiten über Jahrzehnte hinweg bestehen, ebenso wie Elsas Geburtshaus, in dem sich Bernhard und Elsa 2010 wieder treffen und gemeinsam auf ihre bewegten Jahre zurückblicken.

Meine Meinung
Wie man an der Inhaltsangabe bereits erkennen kann, deckt das Buch eine große Zeitspanne ab. Man begleitet die Familien von 1929 bis 2010 durch Berlin, fast 100 Jahre, in denen einiges passiert ist. Das NS-Regime kommt an die Macht, 2. Weltkrieg, Nachkriegszeit, Entstehung der BRD und DDR, Mauerbau, Wiedervereinigung ... um nur die wichtigsten Ereignisse zu nennen. All das erlebt man durch die Augen der Familienmitglieder mit, wobei hauptsächlich Vicky, Elsa und Bernhard zu Wort kommen. Dafür wird vom Leser natürlich ein gewisses Hintergrundwissen erwartet, aber das bewegt sich innerhalb des Schulwissens und sollte deshalb kein Problem darstellen.

Um diesen Zeitraum in knapp 400 Seiten unterzubringen, lässt die Autorin die Handlung teilweise um Jahrzehnte springen. So gelingt es ihr, alle geschichtlich besonders wichtigen Ereignisse abzudecken und mit dem Leben der Familien zu verflechten. Ich für meinen Teil hätte es vorgezogen, wenn man nur eine Person durch das Buch begleitet hätte oder mehrere Personen, dann aber durch einen kürzeren Zeitraum. So hatte ich oft das Gefühl, dass die Charaktere wichtige Entwicklungsschritte durchgemacht haben, ohne dass ich dabei sein durfte. Geburten, Tode oder Krankheiten (z.B. Alkoholismus) wurden teilweise in einem Satz abgehandelt. Ich fand das sehr schade, da ich dadurch, und das trotz der vielen bewegenden Momente, keine besonders tiefe Bindung zu den Charakteren herstellen konnte. Vielleicht wäre eine andere Erzählweise besser gewesen.

Es hätte jede Menge Möglichkeiten für eine noch intensivere Handlung gegeben. Denn nicht nur die geschichtlichen Hintergründe rund um Berlin sind faszinierend, schon allein die Geschichte der Kaufhauses gibt jede Menge her. Das gab / gibt es nämlich wirklich und hat eine bewegte Vergangenheit: als Kreditkaufhaus Jonass gegründet, wurde es später der Hauptsitz der Reichsjugendführung, um nach dem 2. Weltkrieg zum Sitz des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands umgestaltet zu werden. Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck hatten dort ihre Büros. Ende der 50er entstand in dem Gebäude das Institut für Marxismus-Leninismus und das Parteiarchiv. Nach dem Mauerfall erhielten die ursprünglichen, jüdischen Besitzer das Haus zurück und seit 2010 beherbergt es das Soho House Berlin. Was für eine Geschichte!

Da das Gebäude für Elsa und Bernhard so wichtig ist, erfährt man natürlich einiges darüber. Aber auch da hätte man noch mehr herausholen können, wenn man z.B. den Fokus nur auf dieses Haus gelegt hätte. So, wie das Buch geschrieben wurde, liegt das Hauptaugenmerk nämlich auf nichts. Ist es eine Familiengeschichte? Geht es um die Geschichte Berlins? Oder um die Vergangenheit des Gebäudes? Irgendwie von allem ein bisschen, aber nichts davon wirklich tief. Ich finde das sehr schade!

Insgesamt hat mich das Buch natürlich trotzdem gut unterhalten. Es hat mich außerdem dazu angeregt, viel im Internet nachgelesen und ich habe einiges dazugelernt. Dennoch hat mir die Tiefe gefehlt und ich hätte mir einen deutlicheren Fokus gewünscht. Ich vergebe 3 Sterne.
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