Rezension zu "Wächterin der Sterne" von Sylvia Louise Engdahl
Ende der 60er Jahre wurde eine der Domänen der Männer geknackt, die Science Fiction Literatur. Diese bekam einen weiblichen Anstrich durch zunehmende Anzahl von Schriftstellerinnen. Tonnen von Büchern über den Aufbruch ins All hatten nur männliche Helden hinterlassen. Die Frauen hockten wohl zu Hause und hielten Küche und Bett warm. Doch mit James Tiptree Jr. (die anfangs als Pseudonym einen Männernamen wählte, um überhaupt wahrgenommen zu werden) und der großartigen Kate Wilhelm, (die am 8. März diesen Jahres verstarb) kam eine sehr soziale, menschliche und poetische Note in die Science Fiction.
Science Fiction wurde nicht mehr zu einem Tummelplatz von Raumschiffen, gigantischen Schlachten im All und unerschrockenen Helden, die Bücher berichteten jetzt mehr von den sozialen Problemen und die Plots verlagerten sich mehr in das Innere der Protagonisten. Und Protagonistinnen. Das weibliche Geschlecht spielte jetzt auch im All eine größere Rolle.
Einen sogenannten Klassiker aus dieser Zeit, möchte ich gerne vorstellen. Ein Jugendbuch, das auf naive und märchenhafte Art etwas anders ist, als nur eine reine Science Fiction. Dieser Klassiker hat in den letzten 34 Jahre nach seinem Erscheinen viele Jugendbuchpreise abgeräumt,
Die Geschichte wird aus der Sicht von Elena erzählt, die eine Ausbildung beim anthropologischen Dienst der Förderation macht. Aufgabe dieser Gruppe ist es, die Entwicklung anderer Völker auf anderen Planeten zu schützen. Dabei dürfen sich die Mitglieder der Förderation nicht zu erkennen geben. Sie begleitet ihren Vater und ihren Verlobten auf ihrer ersten Mission zum Planeten Andresia. Dort sind vor kurzem die Imperialen gelandet, eine Zivilisation auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe als die Föderalisten, und beginnen, den Planeten rücksichtslos auszubeuten. Die Mission ist, diese Ausbeutung zu stoppen, ohne sich den Einwohnern des Planten und den Imperialisten erkennen zu geben.
"Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass sämtliche Menschen Völker des Universums eine ähnliche Vergangenheit haben - was nicht heißt, dass sie ähnliche Besonderheiten aufweisen, sondern dass auf jedem Planeten, dieselben Grundmuster menschlicher Existenz auftreten. Jedes Volk durchläuft drei Stadien: Zuerst die Kindheit, in der alles voller Wunder ist und der Mensch zugibt, dass ihm vieles unbekannt ist. Er nennt das Unbekannte 'übernatürlich', glaubt aber daran. dann kommt die Jugend - der Mensch lehnt alles Abergläubische ab und erhebt die Wissenschaft zu seinem Gott, er glaubt, all ihre Bereiche offen vor sich liegen zu haben und sie sich nur einverleiben zu müssen; und er denkt nicht im Traum daran, dass es besser wäre, gewisse 'übernatürliche' Wunder nicht einfach abzutun, sondern sie verstehen zu lernen. Schließlich folgt als letzte Stufe die Zeit der Reife, wenn der Mensch erkennt, dass das als 'übernatürlich' Bezeichnete ganz und gar natürlich ist und in Wirklichkeit Teil eben jener Wissenschaft, die es zu verwerfen suchte..."
Die Föderalisten haben einen Weg gefunden, ihre Psi-Kräfte zu aktivieren. Zusammen mit der Technik und der ethischen Denkweise stehen sie auf einer höheren Entwicklungsstufe. Als ein Mitglied der Crew von Elena stirbt, wird sie als vollwertiges Mitglied vereidigt und muss ihrem Verlobten und ihrem Vater helfen, die Eingeborenen so weit aufzubauen, dass sie den Imperialisten die Stirn bieten können. Oft fragt sich Elena, ob den Einwohnern des Planeten nicht direkt geholfen werden kann, doch Lernen geschieht nur durch Leid.
"'Wie kannst du behaupten, menschliches Leid sei unnötig?' 'Willst du damit sagen, es sein notwendig?', ereiferte ich mich. 'Warum?' 'Weil Menschen sich nur über die Lösung von Problemen weiterentwickeln; gäbe es keine Probleme zu lösen, käme niemand sehr weit.'"
Die Lösung muss mit den Mitteln der Einwohner passieren, diese müssen selbst lernen, ihre Probleme zu bewältigen. Da die Imperialisten in ihrer Technikgläubigkeit das Übernatürliche erschreckt, liegt hier der Ansatz der Mission von Elena.
"Von allen Stadien, die Frühwelten durchlaufen müssen, ist die Phase der Entzauberung die schwierigste, glaube ich. Wenn man dank Methoden, die man für wissenschaftlich hält, so viel sieht, dass man nicht mehr glauben kann, es gebe noch etwas, was man nicht sieht - das muss schrecklich sein."
Sylvia Engdahl ist ein wunderschöner Mix aus Science Fiction, Fantasy und Mystik gelungen. Auch wenn der Plot ein paar Schwächen und Wiederholungen aufweist, muss man dieses Buch im Kontext des Jahres der Entstehung sehen. Heute mag die Geschichte etwas naiv wirken, doch für Jugendliche, gerade für Mädchen, birgt dieses Buch seinen eigenen Zauber. Eine Perle der Vergangenheit, die es durchaus wert ist zu lesen.
Das Buch ist antiquarisch auf den üblichen Plattformen leicht zu besorgen.