Ein ungewöhnlicher Musik-Poet
Melancholiker, Womanizer, Poet. Introvertiert, eben deutlich anders als viele der anderen „Legenden“ der Rock und Pop Musik, dessen Gesicht heute eine durchaus lebendige Sprache eines gelebten, aber nicht verlebten Lebens spricht. Einer, der nie den „großen Scheinwerfer“ suchte, sich diesem aber eben auch nicht immer entziehen konnte. Leonard Cohen.
Dessen Persönlichkeit, dessen Lebensstationen, dessen Einsichten und, natürlich, dessen Karriere sich die Musikjournalistin Sylvie Simmons durchaus gründlich, sorgfältig recherchiert und damit fundiert annähert.
Wobei Simmons immer den persönlichen Blick, den Mann hinter den Liedern, immer im Fokus behält. Einer, der tatsächlich „im Anzug geboren“ zu sein scheint, der eine fassbare Identität in den Raum setzt, der nicht als „Kunstprodukt“ wirkt. Sondern tatsächlich seinen ihm passenden Weg ging. Dessen höfliche und nicht nur im Rock Business fast antiquiert wirkenden Umgangsformen ebenso Teil seiner Persönlichkeit sind, wie seine Lieder.
Ein Lebensbild, dem sich Simmons, wie üblich, chronologisch zuwendet, in der jüdischen Familie Cohen 1934 in Montreal, Kanada beginnt und von da aus späterhin über 50 und mehr Jahre an Karriere sich entfalten lässt. Immer im „Verwurzelt sein“ in diesen familiären, jüdischen Wurzeln, wie Simmons aufzuzeigen versteht. Ein intensives Familienleben, wie Cohen selbst erläutert.
Durchaus interessant zu lesen ist, dass Cohen schon in jungen Jahren ein ausgeprägtes Interesse an Hypnose entwickelte. Dies passt ja durchaus ebenfalls fast hypnotisch zu nennende Grundstimmung mancher seiner späteren Lieder. Wobei die ersten Erfolge als „Hypnotiseur“ in ganz andere Richtung als die des Lieder-Komponierens gingen. Oder waren es gar nicht seine hypnotischen Fähigkeiten in erster Linie, sondern sein ausgeprägtes, ihm damals noch nicht bewusstes Charisma, mit dem er dann später bei einem seiner ersten größeren Auftritte durchaus auch ein eher ihm zunächst nicht gewogenes Publikum im Central Park rasch auf seine Seite brachte? Eine Zeit, in der privat eine intensive Affäre mit Joni Mitchell sich entwickelte. Und wie das war für ihn, nicht Frauen als Muse zu betrachten, sondern selber die Muse einer Sängerin zu sein. Ungewohnte Vorzeichen einer Beziehung.
Deutlich beschreibt Simmons, dass ihm dies nun wirklich nicht dauerhaft zusagte . „Wie ist das, wenn man mit Beethoven zusammenlebt“, war eine scherzhafte Frage zu jener Zeit an Cohen. Und es gefiel ihm nicht sonderlich, wie Simmons zu berichten weiß.
Äußere wie innere Stationen, die Sylvia Simmons vielfältig vor Augen führt, wobei der Respekt dem Mann und Künstler gegenüber jederzeit deutlich positiv zu spüren ist.
Simmons hält Distanz im BUch, stellt aber gerade durch diese Distanz und die vielen Eindrücke ihrer Recherche die Person Leonard Cohens plastisch, greifbar und emotional fassbar in den Raum. Vom spirituellen Menschen, der durchaus auch im Kloster anzutreffen war, bis hin zum Bühnenstar, der in seiner „stillen“ Musik die Menschen berührte und berührt. Mit Liedern, die ihm nicht einfach „zufielen“, sondern die für ihn einen oft anstrengenden Schaffensprozess benötigten.
Von einem, der auch privat „lange Wege“ ging, der „im Alter“ auch aus Geldnöten heraus noch einmal auf Tournee ging, der aber eines von früh auf vor allem besitzt: Tiefe. Eine Tiefe, die Simmons, neben all den Platten, Tourneen, Liedern, Beziehungen und sonstigen Anekdoten, spürbar bestens vermittelt.