T. C. Boyle konzentriert sich auf eine einzige Familie in diesem apokalyptischen Roman, was sich aber zu Romanbeginn nicht sofort erschließt. Im Gegenteil, es geht spannend los als eine junge Frau Cat, die in Florida gerne in Bars rumhockt und Drinks schlürft, auf die Idee kommt, sich als Influencerin ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen und eine junge Würgeschlange erwirbt. Und trotzdem ist es Boyle gelungen, einen Gesamteindruck zu vermitteln.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
T. C. Boyle spart nicht mit Schicksal, die Würgeschlange wird die ihr von Boyle zugedachte Rolle spielen, Zecken beißen, Beziehungen gehen zu Bruch, im größeren Zusammenhang leidet man abwechselnd unter der Hitze in Kalifornien oder unter den Sturmfluten und dem unablässigen Regen in Florida.
Die junge Schlangenerwerberin ist eine gebrochene Figur von Anfang an. Es gefällt mir, wie Boyle sie trotzdem ihr Schicksal angehen lässt; immer einen im Tee, aber allmählich erwachsen werdend. Dazu gibt ihr Boyle über zehn Jahre Zeit. Diese Zeit braucht sie auch, weil Cat ziemlich egoistisch und halsstarrig ist und nur langsam lernt. Nein, Cat hat nie meinen Beifall gefunden, aber sie ist eine interessante Figur im Spiel. Cat ist nicht nur unvernünftig, verwöhnt und fordernd per se, sie hat auch Pech. Ihre Hochzeit fällt einem Sturm zum Opfer, ihr Haus wird von Termiten zerfressen, ja, wenn einmal Sch... am Schuh klebt - Papa und Mamas verwöhnte aufsässige Prinzessin muss eine raue Welt bewältigen lernen. Ihre persönliche Entwicklung nimmt eine aufsteigende Kurve. Gut, Cat, würde das anders sehen. Schließlich wollte sie einmal berühmt werden und Kohle scheffeln und jetzt ist sie nur Kellnerin.
Ihr Bruder Cooper ist zunächst besser aufgestellt in der Welt, er weiß, was er will und was nicht und ist beruflich etabliert, seine Entwicklung verläuft aber eher abwärts. Er ist ein begeisterter Insektenforscher und von Kind an „ein fanatischer Grüner“. Sein frühes Umweltbewusstsein veranlasste seine Mutter, sich auf mancherlei Experimente einzulassen, ich jedenfalls, würde bei ihr nicht zu Mittag essen: zu viel Insektenmehl und Mehlwürmer. Alles frittiert, versteht sich. Ottilie ist bemüht, ihren Teil beizutragen. Leider hat sie es versäumt, rechtzeitig Sonnenkollektoren zu installieren, jetzt schießen die Preise dafür durch die Decke. Man schwitzt. Die ständige Umrechnung von Fahrenheit auf Celsius ging mir auf den Senkel! Ich habe mir als Anhaltspunkt gemerkt - 86 Grad Fahrenheit ist 30 Grad Celsius. Nein, das steht nicht im Buch. Aber man hat so seine Quellen.
Nachdem Cooper einen Schicksalsschlag hinnehmen muss, kann er damit nicht so gut umgehen wie Cat mit den ihren, die es gewohnt ist, gebeutelt zu werden. Coopers langjährige Beziehung scheitert an seinem Selbstmitleid. Ja, die ganze Welt scheitert und zerbricht an der Unvernunft des Menschen. Der alles auffrisst und alles zerstört, nichts verschont, und sogar sehenden Auges in den Sonnenuntergang reitet. Aber bloß nichts ändern. Bloß keine Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, bloß keine unangenehmen Wahrheiten laut aussprechen. Und schon gar nicht, auf etwas verzichten. Ottilie, die sich nur noch selten duscht, mag zwar riechen, aber sie hat etwas begriffen!
Fazit: Solange es noch Pferde gibt, sollten wir sie satteln, um stilecht in den Weltuntergang zu reiten, denn Boyle beschreibt genau die Zustände, in denen wir uns momentan befinden, 2025, mit einem amerikanischen Präsidenten an der Weltspitze, der Umweltschutz und Klimaveränderung für einen Witz hält. Ganz zu schweigen vom russischen und asiatischen Raum, wo Umweltbewusstsein nur schwach bis überhaupt nicht ausgeprägt ist.
Kategorie: Unterhaltung. Dystopie.
Verlag: Norton & Company 2024