Reality-TV unter Glas
von Leseteufel
Kurzmeinung: Spannende Charakterstudie über menschliche Abgründe
Rezension
Für zwei Jahre eingeschlossen unter einer riesigen Glaskuppel in einem geschlossenen Ökosystem, darauf lassen sich vier Wissenschaftler in T.C. Boyles "Die Terranauten“ ein. Die Story beruht auf einem wahren Experiment aus den 90er Jahren, was das Lesen für mich sehr interessant machte. Das enge Zusammenleben in E2 und die Entbehrungen sorgen schnell für Spannungen unter den Protagonisten.
Die Story wird aus drei verschiedenen Perspektiven geschildert – Dawn und Ramsay beschreiben das Leben im Inneren, während der Leser Linda außerhalb von E2 verfolgen kann. Leider bleiben die anderen sechs Terranauten weitgehend blass und agieren nur als Randfiguren. Das Buch hat mich sofort gefesselt, vor allem die Charaktere der Protagonisten sind sehr faszinierend geschildert. Wirklich sympathisch war mit keiner der drei Hauptdarsteller, immer wieder brechen Egoismus, Neid und der Drang zur Selbstdarstellung hervor – das erinnert an die vielen Reality-Soaps und regt zum Nachdenken an: Wie würde man selbst in einer solchen Situation reagieren? Die Emotionen und Handlungen der Protagonisten werden durch den ständigen Perspektivwechsel interessant, beim Lesen habe ich oft gedacht „mal schauen wie.... diese Situation empfunden hat“. Dennoch hätte ich mir an einigen Stellen ein wenig mehr „Action“ gewünscht.
Das war mein erster Boyle, den Schreibstil finde ich sehr ansprechend. Dennoch hat es mich gestört, dass ich mich mit keinem der Protagonisten identifizieren konnte oder wirklich mitleiden und -fühlen konnte – sie waren mir weitgehend unsympathisch. Dadurch dass die Handlung teilweise kaum voranschritt, hat mir das das Lesen manchmal erschwert.