Cover des Buches Die Terranauten (ISBN: 9783446253865)
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Rezension zu Die Terranauten von T. C. Boyle

Nichts rein - nichts raus

von FrauSchafski vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Interessante Zukunftsvision mit leider ziemlich enttäuschendem unrundem Ende

Rezension

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FrauSchafskivor 7 Jahren
Es erinnert schon ein Bisschen an Fernsehformate wie Big Brother, was in diesem Buch die zentrale „Mission“ darstellt: Acht Terranauten werden für zwei Jahre in der Ecosphere eingeschlossen, einem völlig autarker und von der Außenwelt abgeschnittener Lebensraum unter Glas. Die Vision dahinter ist, dass in der Zukunft dank solcher Ecospheren menschliches Leben außerhalb der Erde möglich werden könnte. Und tatsächlich beruht der Roman von Boyle auf einem Anfang der 90er-Jahre durchgeführten Experiment, aus dem zum Teil Fakten, Ereignisse und Problemstellungen in die Erzählung einflossen. Eine Verwandtschaft mit Big Brother kommt nicht zuletzt dadurch zustande, dass die Terranauten mit dem Einzug in die Ecosphere prinzipiell auch ihre Privatsphäre abgeben. Permanente Kameraüberwachung sowie die touristische und mediale Vermarktung lassen individuelle Wüsche und Bedürfnisse völlig in den Hintergrund rücken, es zählt allein die große, übergreifende Mission, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft nicht viel anderes als eine große PR-Show ist. Das wichtigste Ziel ist natürlich die dauerhafte absolute Isolation - nichts darf rein, nichts darf raus. Und so entspinnt sich ein Plot um die Frage, wie viel Menschen aushalten können, um der Menschheit einen Dienst zu tun.

Erzählt wir die Handlung von drei unterschiedlichen Personen, zwei in, eine außerhalb der Ecosphere, sodass der Leser die Ereignisse einerseits innerhalb der hermetisch abgeriegelten Glaskuppel erlebt, aber ebenso von einer außenstehenden Sicht beleuchtet bekommt. Dadurch baut sich tatsächlich ein ziemlich realistisches Bild des gesamten Projekts auf. Der Leser steht dabei vor denselben sozialen, gesellschaftlichen und insbesondere moralischen bzw. ethischen Fragestellungen wie die Figuren hinter Glas - nur leider gelingt ausgerechnet das T.C. Boyle nicht so richtig.

Zunächst einmal sind die drei Erzählperspektiven, obwohl es sich um völlig unterschiedlichen Charaktere handelt, ziemlich indifferent ausgestaltet. Zeitweise hatte ich tatsächlich vergessen, welche der drei Personen gerade berichtet, so ähnlich ist ihre Sprache, ihr Denken und natürlich das Themenspektrum. Was mich im Laufe des Lesens dann immer mehr gestört und zum Schluss sogar geradezu genervt hat, waren die dauernden Verweise auf zukünftiges Geschehen à la „Sie wissen ja, wie es ausgegangen ist“. Das führte leider dazu, dass zu viele Ereignisse nur angedeutet und dann nicht zuende erzählt wurden, sodass ich mich irgendwann gefragt habe, was diese „Appetithäppchen“ eigentlich bewirken sollen. Am meisten hat mich allerdings das Ende enttäuscht. Normalerweise bin ich ein großer Fan von offenen Enden und mag den gedanklichen Spielraum, den ein Autor dem Leser dadurch lässt, aber dieser Roman endet einfach nur völlig unbefriedigend. Und das ist letztlich auch mein Eindruck, der nach der Lektüre übrig bleibt: Sie war unbefriedigend.

Fazit: Insgesamt konnte mich der Roman leider nicht überzeugen. Die vielen spannenden Ansätze, die meiner Ansicht nach enthalten sind, werden letztlich nicht zuende gedacht. Das eigentliche Experiment geht in zwischenmenschlichen Beziehungen verloren und bleibt dadurch eher oberflächlich. Insofern ist der Roman wie die darin beschriebene Ecosphere: Der Leser kommt nicht richtig rein - und langfristig kommt auch nichts dabei raus.

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