Man hört oder liest relativ viel über die Borderline-Persönlichkeitsstörung - doch wie kann so eine Krankheit im wahren Leben aussehen? Man muss dazu sagen "kann", immerhin sind die Lebensläufe und Geschichten so unterschiedlich und zahlreich, wie die Gesichter der Betroffenen selbst. In dem Buch "Grenzverletzungen" erlaubt uns der Autor einen Einblick in das Leben eines Borderliners, seiner Freundschaften und Abhängigkeit.
"Grenzverletzungen" ist ein interessantes Buch, leicht zu lesen und viel weniger triggernd als sein Cover. Ich hätte quasi erwartet, dass es mich runterreißt und in mir ein Gefühlschaos auslöst, weil ich mich vielleicht darin wiedergefunden hätte. Aber dem war nicht so. Es liest sich nahezu leicht und sehr spannend.
Dass es mich emotional nicht mitnahm liegt wahrscheinlich daran, wie ich es eingangs schrieb - kennt man eine*n Borderliner*in, kennt man auch nur eine*n. Es ist eine ganz andere Geschichte als die meine. Ich würde auch behaupten, dass der Borderliner Cosmo ein impulsiv-aggressiver Typ ist, also ganz anders ist als ich, der ich eher emotional-instabil bin. Aber wie gesagt, so sind wir Borderliner*innen halt - verschieden, wie jeder andere "gesunde" Mensch auch!
Dennoch war es hochspannend zu lesen, zu erfahren, wie der Alltag zwischen den beiden jungen Männern ausschaut, welche Schwierigkeiten bestehen, wie die Nähe ausgehalten wird. Ich selbst hätte gerne mehr über die Hintergründe erfahren, weshalb der Cosmo diese Persönlichkeitsstörung entwickelt hat. Dies erfährt man tendenziell eher oberflächlich, es wird hier und da mal angerissen.
Zugleich schwingt die Schwere seiner Vergangenheit in nahezu jedem Kapitel mit. Es ist keine offensichtliche Erdrückung, die mir die Luft zum Atmen nahm, es schwingt unterschwellig mit. Und das ist der Punkt, der das Buch auch so lesenswert macht - es macht deutlich, dass nicht alles was uns, den Cosmo, bewegt auf dem Präsentierteller liegt. Man muss zwischen den Zeilen lesen, um in etwa nachzuvollziehen, was in diesem jungen Menschen vor sich geht!
Mein wirklicher Kritikpunkt geht an das Cover - auf der Seite des Verlegers las ich, dass der Autor in diesem Buch mit den Klischees von Borderline aufräumen möchte. Das Selbstverletzung ein Kriterium der Persönlichkeitsstörung Typ Borderline gehört ist auch ein Klischee. Nicht jede*r, der sich ritzt ist ein*e Borderliner*in - und nicht jede*r Borderliner*in ritzt sich!
Alles in allem empfehle ich dieses Buch, wenn man einen Einblick in den Alltag eines Zusammenlebens mit einer*m Borderliner*in haben möchte! Aber wie gesagt - so ist es nicht nur, sondern kann es sein - es gibt noch tausend andere Beziehungs- und Lebensmuster eines Menschen mit Borderline.