Diese Rezension fällt mir sehr schwer.
Wieso?
Weil mich persönlich das Buch nicht so ergriffen hat, wie es vielleicht sollte. Weil ich mit der Story, dem Schreibstil und dem Setting nur wenig anfangen konnte.
So manch einer wird sich jetzt fragen: Wieso trotzdem fünf Sterne, wenn das Buch mich nicht vom Hocker gerissen hat? Wieso diese gute Bewertung, wenn es für mich persönlich kein absolutes Jahreshighlight ist?
Die Antwort ist Folgende: Ich bewerte dieses Buch absolut objektiv. Meine subjektive Meinung ist mit den ersten Sätzen dieser Rezension absolut klar. Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hat, ich kanner aber auch nicht sagen, dass es mir gefallen hat. Dieses Buch war eine neue Erfahrung für mich und ich denke, vielen anderen wird es genauso gehen.
Taimee C. Pyros schreibt andere Geschichten. Sie will keine epischen Schlachten erzählen, keine Liebesdramen oder politische Intrigen. Taimee C. Pyros zielt darauf ab, Geschichten zu erzählen, die echt sind. Die unter die Haut gehen und über die man womöglich noch tagelang nachdenkt.
In dem Buch Liquor.exe befinden wir uns in drei Gedankenwelten: K., A. und H. Die Namen sind irrelevant, man braucht sie aber auch nicht. Die Geschichte an sich ist schnell erzählt, die Handlung wird nur in wenigen Sätzen skizziert und vieles muss man sich selbst dazudenken. Man muss stark zwischen den Zeilen lesen. Was den Großteil dieses Buches ausmacht, sind die Gedanken der Protagonisten - im größten Teil die von A., weil er die meisten Seiten und Kapitel bekommt. Im Endeffekt handelt die Hauptgeschichte im A., seinen geschrieben Code und wie er H. für sich gewinnen möchte. Dabei versinkt der Leser voll und ganz in A.s Gedanken. Es reiht sich Gedanke an Gedanke an Gedanke. Manchmal wechseln diese sprunghaft in eine andere Situation, oft folgt eine Metapher und daraufhin wird dann der nächste, teilweise wirre, Gedankenblock aufgebaut. Wer bei diesem Buch eine genau beschriebene und detailreiche Handlung erwartet, der wird leider enttäuscht. Es geht vielleicht auch gar nicht so richtig um die Handlung, um die Umgebung etc. Es geht viel mehr um das, was zwischen den Zeilen steht, etwas Tiefgründiges, was sich die Autorin beim Schreiben dieser Geschichte vorgestellt hat.
Man darf dieses Buch nicht als "Roman" sehen, wie es ihn üblicherweise zu kaufen gibt . mit personellem oder Ich-Erzähler, der eine Handlung erzählt und den Leser auf eine fantasievolle Reise mitnimmt. Nein, dieses Buch sollte vielleicht eher als Kunstform betrachtet werden. Ein Gemälde, auf dessen weißer Leinwand immer mehr Farbe aufgetragen wird, bis es am Ende einen Eindruck vermittelt.
Ich kann die Geschichte dieses Buches in fünf Sätzen wiedergeben. Das ist kein Scherz, es passiert tatsächlich nicht sonderlich viel an Handlung - das, was geschieht, wird häufig im Tell erzählt, nicht im Show. Man betrachtet alles durch A.s Augen, sieht die Welt so, wie er sie sieht - und das teilweise auf eine konfuse Weise, bei der ich einige Absätze mehrfach lesen musste, um sie zu verstehen. Ich habe erstaunlich lange für dieses Buch gebraucht, einfach, weil es auf eine Art so viel anders war, als das, was ich normalerweise lese.
Ich habe deswegen auch sehr lange gebraucht, um diese Rezension zu verfassen und habe immer wieder gegrübelt: Was für eine Bewertung gebe ich jetzt eigentlich ab?
Gebe ich nur 1 Stern, weil mich die Geschichte nicht gecatcht hat, weil es mich zu sehr verwirrt hat und ich mir einfach etwas anderes erwartet hatte?
Oder lege ich meine persönliche Meinung einmal zur Seite und frage mich: Was wollte die Autorin? Es war wahrscheinlich ihre Absicht, diese Geschichte von A. und H. so zu schreiben, wie sie es getan hat. Mit einem Ich-Erzähler, den ich so zuvor noch nie so gelesen habe, der H. immer mit einem "Du" anspricht; eine doppelte Ebene wird gekonnt erschaffen. Obwohl der Leser weiß, dass mit dem "Du" H. gemeint ist, fühlt er sich irgendwie angesprochen; gleichzeitig bekommt der Leser äußerst tiefe Einblicke in A.s Denkweise und wird in seine Person unwillkürlich hineingezogen, dass es kaum Entkommen gibt.
Die Umgebung - unwichtig.
Die Handlung? - vorhanden, aber irgendwie auch nur eine hübsche Ergänzung zu A.s Gedankenwelt.
Zum Ende hin wurde es besser - mehr direkte Handlung, mehr Show, weniger von A.s Gedanken. Und dennoch immer noch genug, dass das Buch seinem Stil treu bleibt.
Handwerklich gesehen habe ich an diesem Buch nichts auszusetzen. Die Autorin hat einen vollkommen anderen Weg genommen, eine Geschichte zu erzählen, als andere Autoren es wahrscheinlich machen würden. Dieses Buch ist kein klassischer Roman in dem Sinne, es ist etwas, was man als ganzes betrachten muss - mein fertig gemaltes Gemälde.
Ich habe keine Ahnung, ob ich die Message, die Botschaft, hinter dem Buch tatsächlich verstanden habe. Ich werde dieses Buch auch kein zweites Mal lesen, dafür hat es mich leider nicht genug ergriffen.
Und dennoch empfinde ich Liquor.exe als ein gelungenes Werk, von dem ich mir sicher bin, dass es einige absolut begeistern wird.