Cover des Buches Schattenhauch - Ruinen der Dämmerung (ISBN: 9783646600391)
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Rezension zu Schattenhauch - Ruinen der Dämmerung von Tanja Bern

Absolut empfehlenswerte Dystopie mit fantastischen Elementen für Leser ab 14 Jahren

von Leschen vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Eine nachdenklich-stimmende Dystopie mit fantastischen Elementen, die einem gar nicht so irreal vorkommen.

Rezension

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Leschenvor 9 Jahren

"Fracking" - Ein aktuelles Thema: Die verheerenden Folgen einer wissenschaftlich-technisch weiterentwickelten Art des "Frackings" erzählt diese Dystopie mit fantastischen Elementen für Leser ab 14 Jahre.

Inhalt:

Der Jugendroman Schattenhauch erzählt von Geschehnissen in einer nicht sehr weit entfernten Zukunft auf unserer Erde. Aus einer Region, in der man 35 Jahre zuvor zum Zwecke der Energiegewinnung Fracking"-Bohrungen in tieferen Erdschichten mit Zugabe von neu entwickelten chemischen Zusätzen betrieben hat. Hiervon erfährt der Leser durch den schulischen Aufsatz der Hauptprotagonistin Amelie gleich zu Beginn in kurzen, prägnanten Sätzen. Denn - was passiert ist außerhalb der Grenzen von Amelies Tal - ihrem Zuhause, damit müssen die Nachkommen der Überlebenden unwiederbringlich leben. Mit hohem maschinellem Druck auf die Gesteinsschichten in fast fünfzehn Kilometern Tiefe und einem gefährlichen Chemiecocktail beutete man die Erde aus und legte so den Grundstein für das Ende der alten Welt", referiert die sechzehnjährige Amelie vor ihrer Klasse.

In der Zeit, in der Amelie - 35 Jahre nach dem Chemie-Gau - lebt, gibt es keine ihnen bekannte Siedlung außerhalb des umzäunten und bewachten Tales, in dem Amelie mit ihrer Familie lebt. Die Familien, die hier leben - Überlebende und deren Nachkommen - haben keinen Kontakt nach außerhalb, sie wissen nicht, was außerhalb des Tals passiert. Denn seit 35 Jahren sind der Boden und das Grundwasser außerhalb des geschützten Bereiches durch den Chemiecocktail verseucht. Eine vergiftungsbedingte Pandemie hatte schnell die Hälfte der Bevölkerung dahingerafft. Die Überlebenden bauten diese Siedlung auf.
Hier leben die Menschen, wie vor den technischen und maschinellen Errungenschaften der Neuzeit. Noch nicht einmal der Buchdruck erscheint hier erneut erfunden worden zu sein. Dazu fehlen die Materialien und das Wissen, die Fähigkeiten der Siedler im Tal. Und die Siedler, die was wissen, haben teilweise auch Angst ihr Wissen, ihre Fähigkeiten anzuwenden. So wie Derlyn. Der siebzehnjährige Jugendliche besucht die gleiche Klasse wie Amelie, und hat genauso wie seine Altersgenossen mit den typischen Problemen des Erwachsenwerdens zu tun. Doch Derlyn - ein Findelkind - aufgewachsen in der Siedlung seit er fünf Jahre alt ist, ist anders als die anderen Jugendlichen im Tal. Er ist ein Einzelgänger mit besonderen Fähigkeiten - seine Sinne scheinen geschärft zu sein. Ein Heranwachsender, der auch gerne verbotenerweise auf den über mehrere Meter hohen Zaun rund um die Siedlung, klettert, und schaut, was sich dahinter verbirgt.
Amelie interessiert sich für den Jungen, der so ganz anders als die anderen Altersgenossen ist, und klettert eines Tages zu ihm hinauf. Neben schnell wachsenden Pflanzen im dunklen Wald, der sich an die Siedlung anschließt, können Amelie und Derlyn Wesen sein, die sie in ihrem Verhalten und ihrer Erscheinung nicht zuordnen können. Dunkle Wesen, die alle Menschen im Tal die Schatten nennen.
In der Nacht, in der Amelie das erste Mal Derlyn nahe kommt, verschwindet ihre Klassenkameradin Lillyn. Amelie, Derlyn und noch andere Bewohner der Siedlung machen sich auf, Lillyn zu finden. Niemand von ihnen weiß, was sie in der zerstörten, verseuchten und gefahrvollen Welt außerhalb der Mauer erwartet. Und Gefahren gibt es genug, aber nichts ist auch hier, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Meinung:

Die Geschichte Schattenhauch erinnert mich sehr an die Wolke von Gudrun Pausewang oder Z for Zachariah von Robert C. O'Brien. Anders als bei Pausewangs Die Wolke, die kurz vor und nach der atomaren Katastrophe spielt, beginnt Schattenhauch erst Jahre nach dem Chemie-Gau. Das macht die Geschichte eindringlicher. Schattenhauch beginnt 35 Jahre später, die ersten Schrecken und Ängste sind vergangen. Die Menschen leben zusammen, haben ihre Regeln, Gesetze und Aufgaben. Wie das Bewachen der Siedlung, den Anbau und die Herstellung von Lebensmitteln ohne Maschinen, das Beschützen der Menschen vor gefährlichen Tieren und den Schatten.
Von Anfang an habe ich mich gefragt, ob ich ein Jugendbuch lese, dass Wissenschaft weiterspinnt. Ich denke Schattenhauch bereitet die Folgen eines wissenschaftlichen Szenarios, welches gar nicht so weit von der heutigen Zeit und ihren wissenschaftlichen-technischen Errungenschaften entfernt ist, literarisch in einem Jugendroman auf.

Schattenhauch ist eine spannende, interessante, nachdenklich stimmende Geschichte vom Erwachsen werden, von der Identitätssuche in einer hoffentlich utopischen Gesellschaft.
Ich denke Schattenhauch lässt Jugendliche und auch Erwachsene während des Lesens nachhaltig nachdenken über die Geschehnisse. Die Handlung lässt sie Fragen stellen, wie viel Wahrheit liegt der Geschichte zugrunde, und sich auch fragen, wie sie sich ihre Leben vorstellen. Andere Leser wird die Geschichte zum Recherchieren über das Thema Fracking" veranlassen. Aber ängstigen wird sie die Dystopie nicht. Viele Leser werden darüber nachdenken wissenschaftlich-technischer Fortschritt versus Eingriff in Natur und Umwelt.

In Schattenhauch geht es auch um Schuld und Scham. Um die Schuld der Überlebenden, die durch ihr eigenes Tun oder durch Untätigkeit, die alte Welt zerstört haben. Die Geschichte erzählt auch von Angst. Da ist zuerst einmal die Angst vor den Schrecken der Vergangenheit, deshalb erwähnen viele diese Zeit nicht. Und andererseits die Angst vor Dingen, die Menschen nicht kennen oder verstehen, wie die Welt außerhalb des umzäunten Tals. Und es handelt von Reaktionen auf diese unverstandene Welt, welche die Jugendlichen - Neubürger der neuen Gesellschaft nicht verstehen oder nachvollziehen können.

Es ist auch eine Geschichte von Verliebten wie Amelie und Derlyn, die unabhängig der Geschehnisse Zuneigung und Eifersucht gleichermaßen empfinden. Alles ähnelt den widerstreitenden Gefühlen der ersten Liebe egal, in welcher Welt die Protagonisten leben. Diese Normalität des Lebens von Amelie und Derlyn hinter den Mauern stellt einen passenden Gegensatz zu den Abgründen der Protagonisten dar, die Derlyn und Amelie außerhalb der Siedlung besser und neu kennenlernen. Diese Gegensätze machen es noch beklemmender und beängstigender die Folgen der Katastrophe 35 Jahre zuvor auf eine sehr einprägsame und bildlich vorstellbare Art und Weise lesend zu erleben.

Es ist eine hoffnungsvolle Geschichte. Der Leser lernt das Leben außerhalb des Tals kennen. Die Welt hinter der Mauer erzählt von Neubeginn, vom Berufen auf unsere menschlichen Wurzeln, vom Bauen auf die Natur und vom Einsetzen unserer menschlichen Fähigkeiten außerhalb der Hightech-Welt. Doch die Welt außerhalb des Tals hat viele Gesichter....
Es gibt nicht nur ausschließlich Gut oder Böse in dieser neuen Welt, kein typisches Schwarz-Weiß-Bild. Trotz allem überwiegen die Taten der Menschen, Wesen, die Hoffnungsbringend sind und von Optimismus erzählen. Und dann ist da besonders die Natur, die Hoffnung in dieser neuen Welt hervorbringt. Denn ohne diese Umweltkatastrophe apokalyptischen Ausmaßes würden die Überlebenden und deren Nachkommen nicht die Schönheit dieser neuen und oft anderen Natur nicht so intensiv erleben. Die Nachkommen der Überlebenden werden hoffentlich noch lange von den Erfahrungen der Ereignisse 35 Jahre zuvor zehren, und die neue Welt durch ihr Tun vor einer erneuten Katastrophe bewahren.

Sprache:

Die Autorin Tanja Bern versteht es in ihren beschreibenden Worten die Vorstellungskraft des Lesers anzuregen. Und auch wie man sich täuschen kann, wenn die eigene Vorstellungskraft ganz und gar nicht dem Leben in der neuen Welt entspricht. Tanja Berns Sprache lässt den Leser in die Köpfe der Protagonisten und in die von Tieren und anderen Wesen gelangen. Und erklärt uns diese uns unbekannte Welt auf eine niemals belehrende Weise, sondern immer durch die Protagonisten erklärend.

Fazit:

Die Geschichte ist spannend, kurzweilig und nachdenklich stimmend, wenn man sich auf die Handlung einlässt und den Geschehnissen der Geschichten mit offenen Augen gegenübertritt. Es ist eine fantastische Dystopie, in der man viel über das Wesen der Menschen erfährt, und am Ende - mit einem hoffnungsvollen Ende belohnt - positiv gestimmt zurückbleibt. Eine Geschichte für Menschen ab 14 Jahre.

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