Rezension zu "Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday oder Die Erfindung der Erinnerung" von Tanja Langer
Inhalt:
Ich habe meine Großmutter gekannt, aber ich wusste nicht, dass sie es war.
Linda, Übersetzerin aus dem Persischen, lässt sich gern von ihren Träumen lenken, und so findet sie sich eines Tages in Lüneburg wieder: Dort lebte ihre kaum gekannte Großmutter Ida unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, geflohen aus Oberschlesien, verwitwet, mit fünf Kindern. Knapp eineinhalb Meter groß, arbeitete sie für den »Direktor des englischen Kinos«.
Dieser Halbsatz entzündet Lindas Phantasie, und schon ist sie mitten in der Zeit der britischen Besatzung, von 1945 bis 1949:
Ida verliert ihren Mann, Ida schrubbt Wäsche für die Tommys, und Ida begegnet Mr. Thursday. Sie fängt bei ihm im »Astra Cinema« an und merkt vor lauter Begeisterung für die Filme kaum, dass er sich in sie verliebt …
Das Kino wird zum Gegenbild für die raue Wirklichkeit, durch die Ida und ihre kleine Rasselbande sich als »Flüchter« durchboxen, mit Einfallsreichtum, der Kraft der Träume und der Liebe, die sie verbindet.
Indem Linda aus Sehnsucht nach der Großmutter, die sie nicht hatte, zu deren Erzählerin wird, verändert sie sich selbst – und erzählt noch dazu die Geschichte einer ganzen Epoche.
Meinung:
Das Buch habe ich mir spontan im Urlaub gekauft, weil mir Titel, Cover und Klappentext sehr gut gefallen haben.
Ein paar Tage nachdem ich das Buch gekauft habe, habe ich auch schon sehr euphorisch angefangen zu lesen. Den erste Teil des Buches (gut 30 Seiten) fand ich leider sehr anstrengend zu lesen, sodass ich mich wirklich durchringen musste diesen hinter mich zu bringen.
Im ersten Teil geht es um die Erzählerin, Linda, die Enkelin. Das ganze Buch über kommen zwischendurch hin und wieder einmal Absätze oder Seiten, in denen es um Linda geht. Linda blieb mir leider bis zum Schluss fremd und ich fand sie nie besonders sympathisch, sondern immer eher schwierig.
Anders ging es mir da - zum Glück! - mit Ida.
Idas Geschichte ganz kurz zusammengefasst / was der Klappentext nicht hergibt:
Ida flüchtet mit vier (kleinen) Kindern alleine von Polen nach Deutschland. Ihr Mann Kurt ist im Krieg eingezogen. In Deutschland kommt Ida mit ihren Kindern bei der Familie ihres Mannes unter. Die Familie wird dort in ein kleines unbeheiztes Zimmer gesteckt und muss Lebensmittel / Lebensmittelkarten / etc. an die Schwägerin abgeben. Man merkt, dass Ida und die Kindern bei der Familie ihres Mannes nicht wirklich willkommen sind. Darüber beschwert sich Ida auch immer wieder in Briefen an Kurt. Irgendwann hält sie die Wohnsituation nicht mehr aus und sucht nach Arbeit und schließlich nach einer neuen Bleibe für ihre Familie. Letztendlich findet sie beides und zieht aus. Ida arbeitet hart um irgendwie einigermaßen über die Runden zu kommen.
Einige Zeit nach Ende des Krieges kommt Kurt nach Hause. Die Familie ist zwar arm, aber glücklich. Bald bekommt Ida ein fünftes Kind. Kurz darauf stirbt Kurt an einer Krankheit und Ida ist wieder alleine.
Nach gut 200 Seiten kommt dann Mr. Thursday ins Spiel: Ida bekommt arbeit im Astra Cinema, dessen Direktor Mr. Thursday ist. Mit der Zeit führt Ida auch seinen Haushalt und bemerkt dabei nicht, dass Mr. Thursday sich in sie verliebt. So begleitet der Leser Ida durch ihr Leben, erfährt auf den letzten Seiten, was aus ihren Kindern wurde und vom Ende ihres (also Idas) Lebens.
Die Geschichte um Ida und ihre Familie hat mich berührt und gefesselt. Ich habe mit Ida gelitten und habe mir so oft ein anderes, leichteres Leben für sie gewünscht. Aber vor allem kann ich sagen: ich habe sie sehr bewundert.
Durch ihre Geschichte habe ich viel über die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg gelernt. Von den britischen Besatzern hatte ich bestimmt schonmal in der Schule im Geschichtsunterricht gehört, aber davon wusste ich nichts mehr. Auch aus anderen Büchern, die ich gelesen habe und die in dieser Zeit spielen, kann ich mich nicht an die "Tommys" erinnern.
Mit dem Schreibstil der Autorin habe ich mir leider schwer getan. Nicht nur, dass sie keine einzige wörtliche Rede in Anführungszeichen gesetzt hat, sie hat auch Wiederholungen eingebaut, die für mich das Lesen einfach nur schwierig gemacht haben. Ich bin ehrlich, teilweise hab ich Sätze nicht mal mehr richtig verstanden.
Womit ich mir auch schwer getan habe, war der Wechsel zwischen den Zeiten. Wenn dann von "der Erzählerin" oder Linda die rede war, oder in ich-Form geschrieben wurde, wusste ich, dass wir gerade in der Gegenwart sind. Allerdings konnte der nächste Absatz schon wieder in der Vergangenheit zur Idas Zeiten spielen.
Fazit: Auch wenn der Schreibstil der Autorin nicht mein Fall war, mochte ich die Geschichte um Ida und ihre Familie sehr gerne und habe viel über die Nachkriegszeit gelernt. Alleine deswegen fand ich das Buch sehr lesenswert.