Rezension zu "Als der Mond zu sprechen begann" von Tanja Mikschi
Buchinhalt:
1865, Sand Creek, Minnesota: nach einem verheerenden Massaker unter den dort lebenden Cheyenne ist der 8-jährige Ma’tscheschke einer der letzten Überlebenden. Schweren Herzens gibt sein Vater Bizhiu seinen Sohn in die Obhut von David, einem desertierten Soldaten – seinem Jugendfreund und dem einzigen Weißen, dem er vertraut. Zusammen machen sich die beiden schließlich auf den beschwerlichen Weg an die großen Seen, wo Ma’tscheschkes Großmutter im Reservat der Ojibwe lebt. Die Lebensbedingungen für die Indianer dort sind katastrophal und die weißen Siedler bedrängen die Ureinwohner mehr und mehr. Ein Überleben der alten Lebensweise im Einklang mit der Natur scheint es langfristig nicht mehr zu geben….
Persönlicher Eindruck:
Bereits ein zweites Mal nimmt uns Tanja Mikschi mit auf eine Reise in die Vergangenheit und in die Jagdgründe der Ojibwe: „Als der Mond zu sprechen begann“ ist der Fortsetzungsband zu „Auf den Pfaden des Luchses“, kann aber auch gut für sich allein und ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Zusammen mit Ma‘tscheschke, einem Cheyenne-Jungen, macht sich der Leser auf eine abenteuerliche Reise zwischen zwei Welten - der Welt der Weißen, die unaufhaltsam das weite Land bevölkern und der Welt der Indianer, die dem Leben und den Traditionen ihrer Vorfahren mehr und mehr entrissen werden.
Bereits auf den ersten Seiten taucht man ein in einen spannenden Western, der die Welt des jungen Indianers plastisch vor Augen führt. Dieses Mal ist der Schauplatz das Sumpfland um die großen Seen im Norden der USA, wo die Ojibwe, oder die, die davon noch übrig sind, ein trauriges Dasein unter prekären Bedingungen fristen.
Das Leben schwer macht ihnen dabei ein unermüdlicher, von seinem Tun fast wahnhaft überzeugter Geistlicher, der den Indianern die weiße Lebensart mehr oder minder aufzwingt. Seine Saat scheint an vielen Stellen aufzugehen – ein Teil der Bewohner des Reservats nimmt mehr und mehr weiße Gepflogenheiten an, hält sich Hühner und baut Blockhäuser. Ein anderer Teil, darunter Ma’tscheschkes Angehörige, wollen von alledem nichts wissen, leben weiterhin als Halbnomaden in Wigwams und halten fest an alten Bräuchen und ihrem traditionellem Lebensstil.
Bindeglied zwischen beiden Welten ist David, ehemaliger Soldat und inzwischen eine Art Trapper und Waldläufer, Ziehvater von Ma‘tscheschke und Vater von Silas. Er verkörpert beide Seiten und der Fortschritt macht auch vor seinem Leben nicht Halt. In gewisser Weise ist er ein Paradebeispiel dafür, sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Beste aus beiden Welten in Einklang miteinander bringen kann, wenn man nur will.
Der Schreibstil des Romans ist sehr eingängig und die Seiten fliegen beim Lesen nur so dahin. Freunde fundiert recherchierter Western- und Indianerliteratur werden ganz sicher auf ihre Kosten kommen. Man sollte dabei aber nicht außer Acht lassen: die Geschichte ist auf weiten Strecken sehr parteiisch. Alles, was indianisch ist, ist gut und alles, was von den Weißen kommt, generell schlecht. Hier macht es sich der Roman in meinen Augen etwas zu leicht. Selbstverständlich steht es völlig außer Frage, dass das Thema Internatsschulen, die in den letzten Kapiteln zur Sprache kommen, der vielleicht grausamste Eingriff der Weißen in das Leben der indianischen Bevölkerung gewesen sind. Dennoch muss bei aller Tragik der Gedanke einer kritischen Betrachtung von Pro und Contra auf beiden Seiten (Weiße und Indianer) erlaubt sein, und die kam in meinen Augen leider etwas kurz.
Wie auch immer der Leser das nun sehen mag – der Roman bietet auf seinen 500 Seiten einen spannenden und bildhaften Einblick in das Leben, die Traditionen, Spiritualität und Überlieferungen der Indianer des Sumpflandes. Der Plot erstreckt sich über viele Jahre und man ist als Leser eine lange Zeit mit dabei auf dem Lebensweg authentischer und liebenswerter Figuren.
Alles in allem unterhält der Roman der den Leser gut und sorgt für spannende Lesestunden.