Als 'düster-schönes Märchen' hat Alexander Solloch von NDR-Kultur den zweiten Roman der gebürtigen Meranerin und Wahlwienerin Tanja Raich bezeichnet, Maria Motter von radio FM4 spricht von einer 'wunderlichen Robinsonade', Gerlinde Tamerl, ALBUM, von einer 'nachhaltigen Erschütterung' und Walter Pobaschnig von Literatur outdoors nennt „Schwerer als das Licht“ 'eine packende wie raffiniert hintergründige Parabel über Mensch, Natur, Zeit […] in expressionistischer Sprachschönheit'. So könnte man weitermachen, ist man denn allenthalben des Lobes voll für dieses Buch, mit dem ich mich außerordentlich schwer getan habe, das mich abgestoßen hat ob der blutig-makabren Düsternis, die nur kurz einmal aufreißt, immer dann nämlich, wenn die Autorin sich die wie Bleigewichte über der Geschichte liegenden Schatten für einen Moment heben lässt, um mit ausufernden Worten eine Natur zu beschreiben, die meiner Vorstellung vom Garten Eden vor dem Sündenfall entspricht. Letzterer ist in der fragmentarischen Erzählung ohne erkennbare Handlung wohl gleichzusetzen mit dem gnaden- und hemmungslosen Raubbau an der Natur und allem, was da kreucht und fleucht. Die Folgen sind – hier wie da – fürchterlich! Der Klimawandel, der längst nicht mehr zu stoppen ist, bringt den Weltuntergang, ist in apokalyptischer Breite mit gar schauerlichen Szenen der Inhalt von Tanja Raichs eigenartigem Werk, auf dessen nicht vorhandene Handlung ich in meiner Besprechung nicht weiter eingehen möchte, und das in Aufbau und Dramaturgie ganz gewiss nicht das ist, was mich anspricht, was mich auf irgendeine Weise berührt und was ich lesen möchte.
Was habe ich da überhaupt gelesen? Tatsächlich eine Parabel auf den Klimawandel mit seinen unvermeidbaren Folgen, im Zeitraffer freilich? Das habe ich schon eindrucksvoller gelesen! Oder das Psychogramm einer geistig Verwirrten, die allmählich und dann ganz und gar in den Wahnsinn abdriftet, die Geister und Gespenster sieht, die überall Feinde wittert, sich verbarrikadiert, Fallen stellt und schließlich in einem nicht enden wollenden, sie selbst zerstörendem Blutrausch versinkt? Die aber auf handwerklichem Gebiet so außerordentlich beschlagen ist, dass sie mühelos und auch in ihrer desolaten Verfassung zimmert und konstruiert, mit Werkzeugen, von denen ich keine Ahnung habe, wo sie die auf ihrer Südseeinsel (anhand der Naturbeschreibungen muss es sich um eine solche handeln) findet. Nein, so etwas möchte ich entschieden nicht und nach der Lektüre des gefeierten Buches erst recht niemals mehr lesen! Kann ja auch sein, dass hier ein Albtraum erzählt wird, in dem das Unberührte, Unschuldige, Schöne von einem hässlichen schwarzen Ungeheuer verschlungen wird, das alles Leben auslöscht und schließlich sogar die Sterne vom Firmament purzeln lässt. Ja, wenn ich es recht bedenke, habe ich wohl wahrhaftig ein Albtraum-Märchen gelesen, denn nur in solchen können physikalische Gesetze umgekehrt, außer Kraft gesetzt, ausgehebelt werden. Und das wiederum entspricht meinem Lesegeschmack schon überhaupt nicht!
Nun, die Autorin, in deren Biographie man liest, dass sie gern gesellschaftliche Missstände anprangert und neue Lebensentwürfe fordert, bringt bei mir keine Saite zum klingen. Die 'faszinierende, aufwühlende' Sprache, die in den überwiegend sehr positiven Kritiken bejubelt wird, geht an mir vorüber, ebenso wie die angeblich 'großartigen, bildhaften Passagen', von denen mir schon wesentlich eindrucksvollere, auch besser be- und geschriebene untergekommen sind, solche, die mich wirklich berührten und zum Nachdenken brachten. Soll ich, wie ich das auch in einer Besprechung gelesen habe, das Buch, das auf Sri Lanka, in Italien und Mexiko entstanden ist, inspiriert mit Sicherheit von einer wunderschönen Natur, nicht aber von einer sterbenden, verrottenden, in der die Tiere sich gegenseitig auffressen und alles nach Fäulnis stinkt, noch einmal lesen, um dann vielleicht das zu sehen, was die Autorin uns mitteilen möchte und das außer mir, wie mir scheint, alle Kritiker und Rezensenten verstanden haben? Nein, diese Chance lasse ich mir gerne entgehen, es gibt so vieles, das darauf wartet, gefunden und gelesen zu werden!
Belassen wir es doch einfach dabei, dass Bücher, wie so viele Dinge im Leben, eine Frage des Geschmacks und der Neigung sind, obschon ich nach der Lektüre der Inhaltsbeschreibung glaubte, hier etwas vor mir zu haben, das mich fesseln, das mir ein besonderes Leseerlebnis bescheren könnte. Dass genau das Gegenteil der Fall war, ist niemandem anzulasten, schon gar nicht der mit Lob überhäuften Autorin, die ihre, ihren Stil und ihr Buch bewundernden, Leser hat. Da kann sie die wenigen, die dem Werk ablehnend und, wie ich, völlig unverständig gegenüberstehen, leicht verschmerzen....