Ein Blick auf China mit einem Touch Punk
von Andrea_Hahnfeld
Kurzmeinung: Lesenswert. Lustig. Anders
Rezension
Ich darf vorausschicken: Eigentlich lese ich keine Reiseberichte. Für mich ist das wie die Dia-Shows aus den späten 80ern, in denen ein Onkel mit Projektor den Rest der Familie zwang, stundenlang unscharfe Reisefotos zu schauen und dabei langweilige Geschichten erzählen. Ich kann mich nicht erinnern, mehr als die gelegentlichen Artikel in Geo-Magazin im Wartezimmer von Ärztinnen gelesen zu haben. Ich bin also ÜBERHAUPT nicht die Zielgruppe von “Maisbier & Buttertee: Leben und Überleben in China” von Tanja Trash.
Aber ich studiere mit der Autorin an der ASH und ihre Texte sind immer so humorig. Außerdem ist sie auch in Person eine coole Type, mit der sich stundenlang quatschen lässt. Also musste ich unbedingt ihr Buch lesen – auch wenn es ein Reisebericht war.
Ganz anders als erwartet, geht es um lustige und eindrückliche Begegnungen mit Chinesinnen und Chinesen. Die zusätzliche Punk-Perspektive macht das Buch doppelt interessant. Mein Lieblingskapitel ist definitiv “Unterwegs mit Bus und Bahn”, bei dem ich mehrmal beim Mitlesen in laute Ekelrufe verfallen bin und lachen musste.
Und beim Lesen gab es für mich auch eine traurige Selbsterkenntnis: So gerne ich mich als Reisende sehen würde, den Herausforderungen Chinas wäre ich nicht gewachsen. Ich könnte nur mit Tross und eigenem Personal reisen oder einer riesigen Schutzblase um mich herum, die mich schön auf Abstand hält und dosiert das Zumutbare zu mir hereinlässt. Schon allein ein in meiner Nudelsuppe schwimmender schwarzer Hühnerfuß wäre für mich der sofortige Tod durch Herzinfarkt gewesen. Selbst wenn ich keine Vegetarierin wäre, hätte ich die Hühnerklaue nicht mal abgeleckt. Daher Chapeau an die Autorin, die sich mit ihrem Reisegefährten Geralf mutig den Fuß geteilt hat. Wie er dann aber schmeckte, darüber wird geschwiegen. Neugierige müssen selbst mit dem Bus in die chinesische Provinz reisen, um ihn zu probieren ;)
Von den Zuständen im Bus ganz zu schweigen: Enge, Rauchschwaden, Lärm und Körperflüssigkeiten/-gerüche. Und ich sah mich förmlich, wie ich alle Mitreisenden im Bus ansprechen (wahrscheinlich hysterisch anschreien) würde, doch bitte die Zigaretten auszumachen, den Fernseher leise zu schalten und bitte, bitte, BITTE nicht auf mich zu spucken. Wahrscheinlich hätte man mich auf halber Strecke aus dem Bus geworfen – und vielleicht enden deshalb einige Europäerinnen als Nonnen und Mönche in Tibet. Sie konnten einfach nicht mehr mit dem Bus weiterfahren und der Weg zurück war zu Fuß schlicht zu weit.
Ich kann nicht sagen, ob alle Reiseerinnerungen sind wie “Maisbier und Buttertee: Leben und Überleben in China“. Aber der Reisebericht von Tanja Trash ist lustig, anders, lesenswert – und spricht von einer tiefen Wertschätzung gegenüber den Erfahrungen und Begegnungen mit Land, Menschen und Kultur.