Auch verwundete Seelen wollen leben
von gst
Kurzmeinung: Mein Herz schlägt für dieses Buch, das sehr gelungen mehrere Problemkreise der heutigen Zeit vereint.
Rezension
"Schau nicht zurück, John Mbete, schau nach vorne! Die Sonne scheint.“ (Seite 185)
Elly ist 100 und lebt im Pflegeheim. Ihre Kräfte lassen nach, aber ihre Erinnerung ist lebendig. Sie hat im, mit und für den Zirkus gelebt. Aufgewachsen im Zirkus Busch erhielt sie Engagements im Berliner Wintergarten, im Circus Sarrassani, mit dem sie bis nach Amerika reiste und bei Ringling Brothers eine neue Heimat fand. Die Autorin hat sauber recherchiert und so die Geschichte der Zirkuswelt aufgerollt.
Ellys Lieblingspfleger im Heim ist John. Der Schwarzafrikaner versucht nach seiner Flucht übers Meer im heutigen Berlin Fuß zu fassen. Er wohnt mit dem jungen Eritreer Tesfai und dem Afghanen Ajmal in einer Wohngemeinschaft. Nachts zerreißen Schreie der Traumatisierten die Stille. Durch gegenseitige Unterstützung versuchen die Gestrandeten sich das Leben erträglich zu gestalten.
Der Autorin ist es wunderbar geglückt, diese so unterschiedlichen Schicksale in ihrem Roman zu verbinden. Die Brüche, die sich beim Wechsel einer Lebensgeschichte zur nächsten nicht vermeiden lassen, fielen mir beim Lesen kaum auf. Das Buch ist spannend geschrieben und ließ mich als Leser tief in die Problematik der einzelnen Figuren eintauchen.
Dies war das dritte Buch, das ich von Tanja Weber las, doch für mich mit Abstand das beste, da es reale Vergangenheit und Gegenwart in nachvollziehbaren Bildern verknüpft.